Abwärmenutzung des größten Klimawindkanals Europas

Optimale Nutzung in einem Wärmenetz

Der größte Klimawindkanal Europas der RTA Rail Tec Arsenal Fahrzeugversuchsanlage GmbH wird mit drei Verdichtern zu je 1,3 MW Antriebsleistung betrieben, um die Kälte für die unterschiedlichen Versuche bereitzustellen. Dabei fallen jährlich etwa 3,3 GWh bis 6,7 GWh Abwärme auf unterschiedlichem Temperaturniveau von 25 bis 85 °C an. Im Zuge eines Neubauprojekts eines Nearly Zero Energy-Bürogebäudes in unmittelbarer Nähe zum Klimawindkanal wurde das Abwärmepotential detailliert analysiert und ein Konzept zur optimalen Nutzung der Abwärme in einem Wärmenetz wird entwickelt.

Insgesamt sollen drei Bürogebäude unterschiedlichen Baustandards angeschlossen werden. Eines der drei Bürogebäude muss mit Raumwärme auf einem Temperaturniveau von rund 65 °C versorgt werden. Dafür bieten sich vor allem die vorhandenen Ölkühler der drei Verdichter und ein zusätzlicher Heißgasenthitzer an. Die beiden anderen Bürogebäude nutzen bzw. sollen die thermische Betonkernaktivierung als Niedertemperaturheizsystem nutzen und können daher mit dem Hauptanteil der anfallenden Abwärme der luftgekühlten Verflüssiger versorgt werden. Das entwickelte Energiemanagement sieht einen großvolumigen thermischen Speicher  vor. Die Wahl der Speichergröße und dessen Betrieb wird durch die optimale Energieintegration auf Basis von Simulationsrechnungen mit der Plattform OSMOSE der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) ermittelt.

In der Regel wird die Energie am Verflüssiger aus industriellen Prozesskälteanwendungen vorwiegend über Kühltürme in die Umgebung abgeführt, oft ohne auf potenzielle Abwärmenutzungs- oder alternative Rückkühlungsmöglichkeiten zu achten. Oft wird auch vergessen, dass Kompressionskältemaschinen auch als Wärmepumpen betrieben werden können, und dass deren Auslegung und Betriebsweise in Hinsicht auf Wärme- und Kälteerzeugung optimiert werden kann, um Investitions- und Betriebskosten einzusparen und die vom Energieeinsatz indirekt verursachten CO2-Emissionen zu reduzieren. Gerade an Gewerbestandorten, die durch eine gewisse Gleichzeitigkeit zwischen Wärme- und Kältebedarf und Möglichkeiten zur direkten Wärmerückgewinnung verfügen, können durch lokale Energieinfrastrukturmaßnahmen (Wärmetauscher, Wärmepumpen, Speicher und Mikronetze) energetische Synergienutzungen ermöglicht werden.

Das in einem Forschungsprojekt entwickelte Energiekonzept für das zukünftige Gebäude FUTUREbase in Wien basiert auf der Nutzung von vorhandenen Energiepotenzialen in der direkten Umgebung und wird daher als prototypisches Fallbeispiel herangezogen. Damit soll die Installation von zusätzlichen Energieerzeugungsanlagen am Standort vermieden werden. Der Stadtteil ist als Gewerbegebiet gewidmet und bietet daher gute Voraussetzungen für energetische Synergienutzungen an. Abgesehen von den bestehenden Energieerzeugungs­kapazitäten bei den Gebäuden ENERGYbase und TECHbase ist das größte Potenzial in der direkten Nachbarschaft der FUTUREbase bei den Anlagen der Firma RTA (Rail Tec Arsenal Fahrzeugversuchsanlage GmbH) zu finden, wo zum Betrieb der Klima-Windkanäle große Wärme abgeführt werden müssen.

Aus der Literatur sind bereits Maßnahmen zum effizienten Betrieb von Kälteanlagen durch Abwärmenutzung bekannt, vgl. Korn [1]. Diese wurden bisher jedoch nicht an den Anlagen der RTA umgesetzt.

Nachfolgend wird im Kapitel Datenerhebung und Energieflussanalyse der Kältemaschine das gesamte Abwärmepotential analysiert und unabhängig vom Temperaturniveau werden erste Angaben über Dimensionen zu einem thermischen Speicher gegeben, der den Deckungsgrad signifikant erhöhen kann. Im Kapitel Detaillierte Betrachtung der Kältemaschine erfolgt dann eine detaillierte Betrachtung der Kältemaschine und eine Darstellung von Leistung und Temperatur für unterschiedliche Möglichkeiten zur Abwärmenutzung.

Datenerhebung und Energieflussanalyse der Kältemaschine

An dem gemischten Industrie- und Gewerbestandort rund um die Bürogebäude TECHbase und ENERGYbase und den Testanlagen der Firma RTA im 21. Wiener Gemeindebezirk (Bild 1) wurden bis jetzt die thermischen Energiesysteme für jedes Gebäude individuell geplant und ausgeführt. Obwohl die Gebäude teilweise vom gleichen Bauträger errichtet wurden und sie sich eigentlich besonders gut für energetische Synergienutzungen eignen, gibt es bis dato kein gebäudeübergreifendes thermisches Energiesystem. Der Standort erscheint ideal für die Umsetzung von Maßnahmen zur Abwärmenutzung zu sein.

Als Basis für die Analysen wurde der in Tabelle 1 dargestellte Datenbestand gewählt.

Erste Auswertungen der gemessenen Daten der RTA-Kälteanlage wurden dem Wärmebedarf der drei Gebäude gegenübergestellt, um das Potential zur Abwärmenutzung zur Raumheizung in den benachbarten Bürogebäuden zu zeigen. Die Abwärme der RTA-Kälteanlage ist nicht kontinuierlich verfügbar, da sie von der Auftragslage und der Art der durchgeführten Testläufe in den Klimawindkanälen abhängt. Bild 2 zeigt die Auslastung für den betrachteten Zeitraum von 2007 bis 2011. Aufgeteilt auf einzelne Monate wird die Auslastung in Bild 3 für die einzelnen Jahre dargestellt. Man erkennt, dass die jährliche Auslastung der RTA Kälteanlage im Mittel etwa 50 % beträgt.

Die gemessenen Kältemitteltemperaturen am Austritt der drei Verdichter (siehe Bild 4) während der Messperiode 2011 liegen immer über 45 °C, wie in Bild 10 ersichtlich. In 45 bis 50 % der Betriebszeiten liegen die Temperaturen sogar über 60 °C und erreichen bis über 80 °C in einigen Stunden. Dies zeigt eine eindeutige direkte Abwärmenutzbarkeit zu Heizzwecken. Die Jahresdauerlinie der Kälteleistung (siehe Bild 5) zeigt eine „Grundlast“ von ca. 800 kW während etwa 3200 Stunden. Für 1200 Stunden steigt die gesamte Abwärmeleistung bis auf 7,5 MW. Die mittlere Abwärmeleistung in den 3200 Betriebsstunden beträgt 1215 kW. Die drei Verdichter weisen dabei unterschiedliche Betriebszeiten auf.

Mithilfe der Auslastung und der Abwärmeleistung der RTA-Kälteanlage lässt sich das Abwärmepotential zu 3,3 GWh/Jahr (worst case = geringe Auslastung) und 6,7 GWh/Jahr (best case = hohe Auslastung) bestimmen.

Abgesehen vom Temperaturniveau der anfallenden Abwärme kann selbst im worst case der Auslastung der RTA-Kälteanlage etwa die Hälfte des Raumwärmebedarfs abgedeckt werden. Bild 6 zeigt die Abwärmemenge und den Raumwärmebedarf der betrachteten Objekte. Es ist ein deutlicher Überschuss an Abwärme im Sommer erkennbar. Im Winter kann jedoch ebenfalls ein signifikanter Anteil am Raumwärmebedarf der drei betrachteten Gebäude gedeckt werden. Für eine zuverlässige Versorgung und eine optimale Ausnutzung der Abwärme ist jedoch ein thermischer Speicher vorzusehen. Mithilfe des Speichers wird der Einsatz der Back-up-Heizsysteme reduziert. In Bild 7 sieht man den Jahresdeckungsgrad des Raumwärmebedarfs der drei Gebäude durch die Abwärmenutzung in Abhängigkeit der Speichergröße. Dieser variiert zwischen 55 und 97 % bei einem Speichervolumen von 140 bis 1720 m3.

Detaillierte Betrachtung der Kältemaschine

Ein vereinfachtes R&I-Schema der RTA-Kälteanlage ist in Bild 8 dargestellt. Die Kompressionskälteanlage arbeitet mit einstufiger Verdichtung und zweistufiger Entspannung (violett: Kältemittel R507). Die Kühlung der Windkanäle erfolgt über die Kühlung von Kälteträgerkreisen (Solekreise, blau: wässrige Lösung Dynalene HC50-CL12) auf Sollwerte zwischen ‑54 und ca. ‑5 °C. Dabei nimmt das im Verdampfer befindliche Kältemittel (siedende Flüssigkeit und Sattdampf) Wärme auf. Der überhitzte Kältemitteldampf wird anschließend in den Verdichtern (V010, V020, V030) komprimiert, wobei Druck und Temperatur steigen (Heißgas). Im Verdunstungsverflüssiger wird das Kältemittel verflüssigt, wobei sensible Wärme (Enthitzung) und latente Wärme (Verflüssigung) abgeführt werden müssen. Aus dem anschließenden Sammler gelangt das flüssige Kältemittel über die Economizer (ECO) wieder zu den Verdampfern. Dabei findet vor den Economizern die erste Entspannung statt (Hoch- auf Mitteldruck), und vor den Verdampfern die zweite Entspannung (Mittel- auf Niederdruck). Neben den beiden Solekreisen für die Windkanäle (Hauptverbraucher) gibt es einen weiteren Verdampfer zur Eiswassererzeugung, der in diesen Betrachtungen jedoch nicht untersucht wird. Das Schmieröl der Verdichter wird nach der Verdichtung abgeschieden und über Rohrbündelwärmeübertrager über einen kältemittelseitigen Naturumlauf mit Kältemittel aus dem Sammler gekühlt (Ölkühlung, grün).

Die Abwärme der Kälteanlage kann mit verschiedenen Maßnahmen nutzbar gemacht werden, siehe rote Linien in Bild 9:

Die sensible Abwärme der Verdichter, die bisher über die Ölkühler in den Sammler (und damit über die Verdunstungsverflüssiger) abgeführt worden ist, wird direkt ausgekoppelt.

Die sensible Wärme, die beim Abkühlen des Heißgases (überhitzter Kältemitteldampf am Austritt aus den Verdichtern) bis zum Taupunkt bisher über die Verdunstungsverflüssiger abgeführt worden ist, wird mittels eines Enthitzers direkt ausgekoppelt.

Die latente Wärme, die beim Verflüssigen des Kältemittels bisher über die Verdunstungs­verflüssiger abgeführt worden ist, wird mittels eines Verflüssigers direkt aus­gekoppelt.

Um einen fehlerfreien Betrieb des Kältekreises gewährleisten zu können, muss die anfallende Abwärme abgeführt werden. Daher kann auf die bestehenden Verdunstungsverflüssiger nicht verzichtet werden, die das Kältemittel nach dem Enthitzer und dem Verflüssiger gegebenenfalls auf einen zulässigen Zustand weiter verflüssigen bzw. unterkühlen. Auch für die Abwärme aus den Ölkühlern muss eine entsprechende sichere Senke vorhanden sein.

Die Bilder 10 bis 12 zeigen die Leistung einer möglichen Abwärmenutzung für den Verflüssigungsteil, die Enthitzung und den Ölkühler für den Verdichterkreis V010. In den Bildern 13 und 14 sind die korrespondierenden Temperaturen dargestellt. Gut zu erkennen sind die, wie zu erwartenden, relativ linearen Zusammenhänge der jeweiligen Leistungen, wie zum Beispiel in Bild 10 (Verflüssigerleistung über Verdampferleistung) oder Bild 11 (Enthitzerleistung über Verflüssigerleistung). Damit kann man bereits eine brauchbare Approximation für ein vereinfachtes Modell erstellen. Anders verhält sich dies im Fall der Verflüssigertemperatur, wie in Bild 12 dargestellt. Diese wird aufgrund der Betriebsanforderungen das gesamte Jahr über in einem Bereich von rund 25 bis 35 °C geregelt. Dazu wird einerseits die Fläche der Verflüssiger variiert, der Luftvolumenstrom und das Kühlwasser zur nassen Rückkühlung elektrisch vorgewärmt. Die negative Verdampfungsleistung, welche in Bild 12 zu erkennen ist, resultiert aus einem Stand-By-Betrieb der Verdichter. Damit werden Abschaltzeiten der Verdichter während verschiedener Versuche vermieden. Je nach Betriebszustand des Verdichters V010 wird am Verflüssiger eine Leistung bis zu rund 2,5 MW bei einer Temperatur zwischen 24 und 32 °C abgeführt. Davon kann über einen Heißgasenthitzer eine Leistung von bis zu 400 kW bei einer maximalen Temperatur von 50 bis 75 °C ausgekoppelt werden. Am Ölkühler wird etwa eine Leistung von 150 bis 300 kW bei einer Öleintrittstemperatur in den Kühler von rund 35 bis 55 °C abgeführt.

Damit wir deutlich, dass insbesondere der Ölkühler und ein zusätzlich zu installierender Heißgasenthitzer Leistung und Energie in der Größenordnung des erforderlichen Raumwärmebedarfs bei brauchbarer Temperatur bereitstellen können. Die geringe Exergie am Verflüssiger kann zum Teil für die ENERGYbase und die zu errichtende FUTUREbase genutzt werden.

Um die anfallende Abwärmemenge und das zugehörige Temperaturniveau zu simulieren, wurde ein stationäres Modell der Kälteanlage, gemäß gängiger Literatur, z.B. Palm [2], entwickelt. Das Kreisprozessmodell ist aus den Hauptkomponenten der Kälteanlage aufgebaut: Verdampfer, Verdichter mit Zwischeneinspritzung, Kondensator, Economizer, Expansionsventile. Die mittels natürlicher Konvektion betriebenen Ölkühler sind nicht direkt im Modell implementiert, sondern fließen indirekt über die Angabe des isentropen Wirkungsgrads ein. Die Simulation erfolgt für jeden Verdichter separat und für stationäre Betriebszustände. Dabei werden ausgehend von Verdampfungs- und Kondensationstemperatur des gewählten Kältemittels und der Angabe weiterer Parameter intensive Zustandsgrößen des Kältemittels (z. B. Druck, Temperatur, Dampfgehalt, spezifische Enthalpie) in verschiedenen Punkten des Kreisprozesses für den stationären Betrieb der einzelnen Verdichter berechnet. Die gute Übereinstimmung gemessener (blau) und simulierter (cyan) Punkte des Kreisprozesses zeigt exemplarisch Bild 15 für die eingeschalteten Verdichter V010 und V030 (Zeitbereich: 1.5.2013, 8:00-8:20 Uhr).

Fazit

Es wurde die Möglichkeit dargestellt, Abwärme aus einer bestehenden Kälteanlage für die Bereitstellung von Raumwärme in umliegenden Bürogebäuden zu nutzen. Dabei ist die tatsächliche Abwärmeleistung stark vom Betrieb der Kälteanlage abhängig und beträgt alleine für den Verdichter V010

bis 2500 kW bei 24  bis 32 °C am Verflüssiger,

davon bis zu 400 kW bei 50 bis 75 °C an einem möglichen Heißgasenthitzer und

150 bis 300 kW bei 35  bis 55 °C am Ölkühler.

Die Kälteanlage wird für den Betrieb des größten Klimawindkanals in Europa verwendet. Die Rahmenbedingungen für den Einsatz des Klimawindkanals zu Testzwecken sehen keinen kontinuierlichen Betrieb vor. Um die Abwärmemenge technisch und ökonomisch optimal zu wählen, wurde ein thermischer Speicher vorgeschlagen. Dieser wurde in ersten Analysen bereits dimensioniert. In der bisher durchgeführten Betrachtung kann man davon ausgehen, dass etwa 50 bis 70 % des Raumwärmebedarfs der drei Bürogebäude aus der Abwärme der Kälteanlage der RTA verwendet werden kann. Dies ist etwa eine Energiemenge von rund 0,85 bis 1,19 GWh. Berücksichtigt man die Koeffizient zur Berechnung der äquivalenten CO2-Menge laut EN 15 603 entspricht dies einer Vermeidung von etwa 237 bis 333 t-CO2/Jahr. Im nächsten Schritt wird das Gesamtsystem, bestehend aus der Kälteanlage der RTA, den drei Bürogebäuden, einem thermischen Speicher mit Wasser als Wärmeträger und einem geothermischen Sondenspeicher mit Hilfe des Simulationstools OSMOSE der EPFL ökonomisch optimiert. OSMOSE verwendet dabei modellbasierte funktionale Zusammenhänge der verschiedenen Anlagen, wie z.B. Kennfelder für Kälteanlagen und Lastprofile von Gebäuden, um durch Veränderung von Parametern, wie z.B. dem Speichervolumen, ein Optimum hinsichtlich einer vorgegebenen Kostenfunktion zu finden.

Danksagung

Wir bedanken uns beim Klima- und Energiefonds (KLIEN) der österreichischen Bundesrepublik für die finanzielle Unterstützung der Projekte FUTUREbase (FFG Nr.: 827193) und RecoverHeat (FFG Nr.: 838769) und bei den Projektpartnern, insbesondere bei der Rail Tec Arsenal Fahrzeugversuchsanlage GmbH, für die gute Zusammenarbeit.

Literaturverzeichnis

[1]   Korn, D., Effizienter Betrieb von Kälteanlagen – Energieeinsparung, Wärmerückgewinnung, Abwärmenutzung, VDE Verlag GmbH, Berlin, 2011
[2]   Björn Palm et al, Refrigerating Engineering, Department of Energy Technology, Division of Applied Thermodynamics and Refrigeration, Royale Institute of Technology – KTH, Stockholm, 2005
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