Eine Kerntechnologie für die Energiewende

Warum wir den Ausbau der Wärmepumpe noch stärker beschleunigen müssen

Mit dem Krieg Russlands in der Ukraine ist das Vertrauen in die Gasheizung als Übergangstechnologie auf dem Weg zu einer CO2-freien Versorgung europäischer Gebäude und Industriebetriebe mit Wärme massiv erschüttert worden. Endkunden überlegen, wie Sie ihre persönliche Abhängigkeit von Gas reduzieren und die Volatilität ihrer Stromkosten begrenzen können. Wärmepumpen, Photovoltaik, Speicher und Elektromobilität sind die Technologien der Wahl. Allerdings sind alle genannten Technologie gegenwärtig von Produktions-, Liefer- und Installationsengpässen betroffen. Diese gilt es zu überwinden.

Die Europäische Union hat im März 2022 eine erste REPowerEU-Kommunikation und am 18. Mai das „REPowerEU-Paket“ vorgelegt. Energie soll verfügbar und bezahlbar bleiben sowie zunehmend aus erneuerbaren Quellen kommen. Gleichzeitig soll der Energiebedarf weiter reduziert werden, um die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren.*

Mit Bezug auf die Wärmepumpe macht das Paket keine neuen gesetzlichen Vorschläge,

setzt aber das Ziel einer Verdopplung der gegenwärtigen Verkaufszahlen
(1,1 Millionen Einheiten in 2021) von wassergestützten Wärmepumpen und schätzt die kumulierte Menge von bis 2026 zu installierenden Systemen auf 10 Millionen,

kündigt eine Stärkung der Wertkette und die Einführung höherer Nachhaltigkeitsanforderungen an – dies soll über eine Revision der gegenwertigen Ökodesign und Energielabelverordnungen umgesetzt werden – und

kündigt weitreichende Unterstützung für Innovationsprojekte auf der Mitgliedsstaatenebene an – sogenannte „Wichtige Vorhaben von gemeinsamem Europäischen Interesse“ (IPCEI) sollen die Wärmepumpenwertkette stärken.

Diese neuen Vorgaben werden ergänzt um weitere Ziele, die in den verschiedenen Gesetztesinitiativen des EU Green Deal angelegt sind.

Verabschiedet ist bereits das EU Klima­gesetz, welches die Klimaneutralität der Europäischen Union bis 2050 gesetzlich verankert und eine Absenkung der CO2-Emissionen 2030 um 55% gegenüber 1990 vorsieht.

Die gerade vom Europaparlament abgestimmte Erneuerbare Energien Richtlinie setzt das Globalziel von 45% erneuerbarer Energie (gemessen am Endenergiebedarf 2030) und ein Sektorziel von 49% erneuerbarer Energie im Gebäudebereich. Weiterhin soll der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergiebedarf sowohl im Gebäudebereich (verpflichtend), als auch in der industriellen Produktion (Orientierungswert) um 1,1 Prozentpunkte pro Jahr steigen.

Die Parlamentsposition zur Energieeffizienzrichtlinie sieht eine Absenkung des Endenergiebedarfs um 13,5% bis 2030 (bezogen auf das Referenzscenario von 2020) vor. Dieser Wert liegt über den von der Kommission vorgeschlagenem Wert von 9%. Der Energiebedarf soll ab 2024 um 1.5% pro Jahr sinken, im öffentlichen Sektor sogar um 1.7% pro Jahr, gleichzeitig müssen jährlich 3% der öffentlichen Gebäude renoviert werden.

Die Gebäudeeffizienzrichtlinie strebt einen effizienten und weitgehend CO2-neutralen Gebäudebestand bis 2050 an, schlägt neue Mindesteffizienzstandards auch für Renovierungsprojekte vor und einen neuen Zero-Emissionsstandard für Neubauten. Erreicht werden sollen diese auf der Mitgliedsstaatenebene über Renovierungsstandards und eine Verbesserung der Energieeffizienzzertifikate. Zuletzt sollen sich neue und renovierte Gebäude als aktive Komponenten in das Stromnetzt der Zukunft integrieren.

Beitrag der Wärmepumpe

Zu all diesen Zielen leisten Wärmepumpen einen positiven Beitrag. Sie werden also zu Nutznießern des „EU Green Deal“. Allerdings wird sich der Ausbau kaum ohne eine Förderung des schnellen und weitreichenden Einbaus von Wärmepumpenlösungen in Wohn- und Bürogebäude, Energienetze und industrielle Prozesse erreichen lassen.

Gemäß den Zahlen des Europäischen Wärmepumpenverbandes wurden 2021 2.2 Millionen Heizungs- und Warmwasserwärmepumpen abgesetzt. Mit 34% war dies das größte jährliche Wachstum. Insgesamt sind damit in Europa mehr als 17 Millionen Wärmepumpen installiert, und die Technologie repräsentiert ca. 13% aller pro Jahr neu installierten Heizungssysteme.

Allerdings bedarf es eines weiteren jährlichen Wachstums von 20-25%, um die REPowerEU Ziele zu erreichen. Werden diese erreicht, so würden bis 2030 ca. 30 Millionen zusätzliche wassergestützte Wärmepumpen installiert. Da luft-gestützte Systeme in Nord­europa und den Mittelmeerländern die dominierende Heizungstechnologie darstellen und auch in Zentraleuropa im Bereich kommerzieller Gebäude eingesetzt werden ist für diesen Sektor ein ähnliches Wachstum zu erwarten. Aufgrund der Klimakrise gewinnt die Installation von Systemen, die Wärme- und Kälte bereitstellen können, auch im Privathaushalt und in bisher untypischen Regionen an Bedeutung.

Bezieht man die Wachstumszahlen wassergestützter Systeme auf den Gesamtmarkt, dann müsste der Gesamtbestand von Heizungs- und Warmwasserwärmepumpen um ca. 60 Millionen zunehmen und würde 2030 mehr als 72 Millionen installierte Einheiten erreichen (s. Grafik). Dieses Ziel ist ambitioniert, aber erreichbar, wenn der Europäische Heizungsmarkt nahezu komplett auf die Produktion und den Absatz von Wärmepumpen ausgerichtet werden würde und zusätzlich insgesamt an Volumen zunähme. Ein mögliches Scenario geht von einem jährlichen Absatz von bis zu 13 Millionen Einheiten bis 2030 aus. Die politischen Rahmenbedingungen müssen dieses Wachstum schnell unterstützen, weil sich sonst die ambitionierten Klimaziele im Heizungs- wie im Kühlungsbereich nicht erreichen lassen.

Vertrauen ist wichtig

Um die notwendige jährliche Wachstumsrate von 20-25% aufrecht zu erhalten bedarf eines konzertierten Vorgehens aller Marktteilnehmer. Wärmepumpenbasierte Lösungen müssen von der Politik aufgrund der Vielzahl ihrer Vorteile für ein nachhaltiges Energiesystem priorisiert werden und diese Priorisierung muss entlang der Wertkette kommuniziert werden, um Vertrauen von Investoren, Herstellern und anderen Marktteilnehmern in die Langlebigkeit dieser Fokussierung zu stärken und das Vertrauen in die Richtigkeit entsprechender Entscheidungen zu fördern. Wichtig ist Vertrauen in die Langfristigkeit dieser Orientierung auch und besonders für diejenigen, die eine Aus-, Fort-, oder Weiterbildung im Wärmepumpensektor erwägen. Die Entscheidung für eine Wärmepumpe oder für die Wärmepumpenbranche muss eine richtige Entscheidung sein.

Es bedarf eines „Wärmepumpenbeschleunigers“ mit folgenden Komponenten:

1. Vertrauen: In der politischen Kommunikation auf Europäischer und nationaler Ebene muss die Schlüsselrolle der Wärmepumpe anerkannt und betont werden. Wärmepumpen sollten als kritische Infrastruktur (ähnlich der Vorgehensweise im US Defense Production act), eingeordnet und wirtschaftspolitisch bevorzugt behandelt werden. Engpässe bei der Komponentenversorgung sind im Rahmen der Wirtschafts- und Standortpolitik zu adressieren.

2. Preis: Die ökonomischen Rahmenbedingungen müssen so gestaltet werden, dass die Wärmepumpe zur attraktivsten Lösung für die unterschiedlichen Marktteilnehmer wird. Die relativen Preise der verschieden Heizungsalternativen müssen korrigiert werden. Die negativen Effekte der Nutzung fossiler Energien sollten bepreist und damit internalisiert werden. Die Benachteiligung der Elektrizität in der Energiebesteuerung muss abgeschafft werden. Diese Forderung hat die deutsche Bundesregierung mit der Einführung des Brennstoffhandelsgesetztes und der Ausgestaltung der Subventionierung des Kesseltausches im Heizungsbereich gut umgesetzt. Dieser Grundsatz einer stark reduzierten Elektriztitätsbesteuerung ist im Vorschlag der EU Richtlinie zur Energiebesteuerung enthalten. Zusätzlich muss die Bereitstellung von Flexibilität einen Wert erhalten. Dies ist in der Richtlinie zum Elektrizitätsmarktdesign angelegt, aber in Deutschland (und anderen Mitgliedsstaaten) bisher nicht umgesetzt worden.

3. Planbarkeit des Rechtsrahmens: Bauvorschriften zu Einbau und Betrieb von Wärmpumpen sollten vereinfacht werden. Ähnliches gilt für die Vorgaben zur Bereitstellung von Energiedienstleistungen („heat-as-a-service“), auch über Grundstücksgrenzen hinweg. Ebenso sollte die Revision der Kältemittelverordnung und der Verordnungen zum Ecodesign und zur Energieverbrauchskennzeichnung so ausgestaltet werden, dass sie einen beschleunigten Markthochlauf der Wärmepumpe unterstützen und nicht bremsen. Gerade die Ausgestaltung der Verschiedenen Verordnung und die Umsetzung von Richtlinien muss das Wachstumsziel berücksichtigen und sollte mit allen denkbaren Vereinfachungen einhergehen.

4. Entlang der Wertkette bedarf es einer Ausbildungsinitiative, die technische Berufe und Installateure ebenso betrifft wie Architekten und Ingenieure. Aufgrund der Integration von Elektrischen- und Thermischen Systemen ist eine besondere Förderung von Bildungsgängen an der Schnittstelle von Mechanik und Elektronik wesentlich. Um schnell Kapazität zu schaffen, sollte die Revision der Ausbildungsverordnungen diskutiert werden. U. U. ist auch die Schaffung des Berufsbildes eines „Einrichtungsfacharbeiters“ („fitter“) zu erwägen. Die Branchenverbände sind ebenso einzubeziehen, wie Universitäten, technische Hochschulen und andere Bildungseinrichtungen. Auf der Verwaltungsebene sollten mögliche Vereinfachungen im Genehmigungs- und Zulassungsprozess geprüft werden.

5. Auch wenn der Entwicklungsstand der Wärmepumpentechnologie weit fortgeschritten ist, muss Forschung- und Entwicklung weiter gefördert werden, um Anwendungsbereiche und Temperaturniveaus besonders für industrielle Anwendungen zu erweitern, Installation, Wartung und Monitoring zu vereinfachen und die Integration von Wärmepumpe in Energienetze zu ermöglichen (Sektorkopplung).

Die dynamische Auswirkungen der zu erwartenden hohen Zahl der Wärmepumpen auf die Stromnachfrage (Spitzenlast, Leistung und Flexibilisierungspotential) muss bei Netzplanung und -ausbau berücksichtigt werden, um die Leistungsfähigkeit der Netzte zu gewährleisten. Der Europäische Wärmepumpenverband EHPA fordert von der Politik die Einrichtung eines Wärmepumpenbeschleunigers, um die gesamte Wertkette einschließlich der Vertreter der Mitgliedsstaaten an einem Tisch zu versammeln, den gegenseitigen Austausch zu fördern, Fortschritt zu dokumentieren und zu kommentieren und die Anpassung der Europäischen und nationalen gesetzlichen Rahmenbedingungen an die Anforderungen des Markthochlaufs sicherzustellen.

Aufgrund des Umfangs der Herausforderung scheint eine EU-weite konzertierte Aktion für den Erfolg der Transformation des Wärme- und Kältemarkts unabdingbar. Sie stellt sicher, dass der Wandel hin zu CO2-emissionsfreien, effizienten Lösungen für Heizen und Kühlen erfolgreich ist. Gleichzeitig wird diese Transformation durch Europäische Unternehmen getrieben und schafft damit Arbeitsplätze, Perspektive und Exportpotentiale in Europa.

Mit der Umsetzung muss so schnell wie möglich begonnen werden, damit erste Ergebnisse für den Winter 2023 erreicht werden und Europa für die folgenden Winter vorbereitet ist – weil Energie verfügbar und bezahlbar ist und aus erneuerbaren Quellen stammt.

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