Brennbare Kältemittel

Hinweise für den sachgemäßen Umgang

In der Kälte/Klima-Branche war der Einsatz brennbarer Kältemittel bisher auf nur wenige Anwendungsfälle beschränkt. Mit den anstehenden Umweltauflagen, allen voran den Regelungen aus der Verordnung (EU) Nr. 517/2014 und der damit zwangsläufigen Verdrängung vieler synthetischer Kältemittel mit sehr hohem Treibhauspotenzial, rücken die brennbaren Kältemittel stärker in den Vordergrund. Daher müssen sich zukünftig alle Beteiligten in der Kälte-, Klima- und Wärmepumpentechnik der großen Herausforderung stellen, auf den Einsatz und den Umgang mit brennbaren Kältemitteln vorbereitet zu sein.

Brennbare Kältemittel im Überblick

Nach ISO 817 werden Kältemittel in Bezug auf ihre Toxizität und Brennbarkeit in acht Sicherheitsgruppen eingeteilt (s. Abb.).

Die brennbaren Kältemittel unterscheiden sich in Bezug auf ihre Toxizität und grundsätzliche Anwendung nicht von ihren nichtbrennbaren Alternativen. Das trifft z. B. auf Sauerstoffverdrängung, Rauchverbote, Verbrennungsgefahr als auch auf persönliche Schutzausrüstung zu.

Es kristallisiert sich heute bereits heraus, dass sich, neben den nichtbrennbaren Kältemitteln einschließlich R-744 (CO2), Stoffe und Gemische der Brennbarkeitsklassen 2L und 3 am meisten durchsetzen werden.

Kriterien für Brennbarkeit

Klasse 2L (geringe Entflammbarkeit) zeigt eine

Flammenausbreitung bei Prüfung bei 60 °C und 101,3 kPa

LFL > 3,5 Vol.-%

Verbrennungswärme von < 19 MJ/kg

maximale Brenngeschwindigkeit von ≤ 10 cm/s

Klasse 3 (hohe Entflammbarkeit) zeigt eine

Flammenausbreitung bei 60 °C und 101,3 kPa

LFL ≤ 3,5 Vol.-% oder eine Verbrennungswärme von ≥ 19 000 kJ/kg

Achtung: Die europäische GHS-Verordnung (EG) 1272/2006 – genannt CLP-Verordnung – kennt eine solche Einteilung bisher nicht. Laut dieser Verordnung werden Stoffe hinsichtlich ihrer Brennbarkeit in Mischungen mit Luft bei 20 °C und 101,3 kPa Druck geprüft. Wird eine Brennbarkeit bei 13 Vol.-% oder weniger oder ein Zündbereich bei mindestens 12 Prozentpunkten, unabhängig von ihrer unteren Zündgrenze, ermittelt, dann werden diese Stoffe in die Kategorie 1 eingestuft.

Das bedeutet, dass im Sicherheitsdatenblatt das entsprechende Piktogramm und der Zusatz H220: „extrem entzündbares Gas“ eingefügt werden müssen.

Beispiel:

Die Unterscheidung in der Einstufung wird bei dem Kältemittel R-1234ze(E) deutlich. Es kann in Mischung mit Luft bei 20 °C  keine Entflammbarkeit festgestellt werden. Bei Temperaturen über 30 °C allerdings doch. Somit ist dieses Produkt im Sicherheitsdatenblatt als nicht brennbar, jedoch in den kältetechnischen Normen in die Klasse A2L eingestuft.

Alle Beteiligten der Branche müssen sich also, unabhängig von der Einstufung laut Verordnung, darüber bewusst sein, dass sie mit brennbaren Substanzen arbeiten. Deshalb muss die Betrachtung in Bezug auf den sicheren Umgang mit Kältemitteln um den Faktor Brennbarkeit und/oder Explosivität ausgeweitet werden.

Hinweise zur Arbeit mit brennbaren Kältemitteln im Anlagenbetrieb

Montage und Inbetriebnahme von Anlagen mit brennbaren Kältemitteln

Bevor mit der Montage einer Anlage für brennbare Kältemittel begonnen werden kann, ist zu prüfen, ob die räumlichen Gegebenheiten vor Ort den Einsatz brennbarer Kältemittel zulassen.

Zu prüfen ist, ob das System im Freien oder im Maschinenraum geplant wird, ob sich die Anlage oder Teile in einem Personenaufenthaltsbereich befinden und wer diesen betreten darf. Nähere Informationen dazu sind in der DIN EN 378 zu finden und, falls diese zutreffen, in den Produktnormen der EN-60335-Reihe. Darüber hinaus können die Richtlinie 2014/34/EU, Landesbauordnungen, Arbeitsstättenverordnungen etc. relevant sein.

Bei der Montage von Kälteanlagen, die später mit brennbaren Kältemitteln befüllt werden sollen, sind bezüglich Brennbarkeit und Explosivität keine zusätzlichen Regeln zu den gebräuchlichen zu beachten. Eine zündfähige Atmosphäre kann erst dann entstehen, wenn das brennbare Kältemittel eingefüllt wird oder die Absperrventile bei vorgefüllten Systemen freigegeben werden. Sind alle Vorkehrungen ordnungsgemäß erfüllt, kann das Risiko der Brennbarkeit weitestgehend ausgeschlossen werden.

Zu diesen Vorkehrungen gehören u. a. (DIN EN 378-2):

Druckfestigkeitsprüfung

Dichtheitsprüfung

Funktionsprüfung der Sicherheitsschalteinrichtungen zur Druckbegrenzung

Konformitätsprüfung der gesamten Anlage

Vor dem Einfüllen des Kältemittels ist das System auf einen Druck von mindestens 270 Pascal zu evakuieren. Dabei ist darauf zu achten, dass alle Bauteile und Baugruppen der Anlage vom Vakuum erreicht werden, um zündfähige Mischungen innerhalb des Systems auszuschließen.

Wartung und Instandhaltung

Bei Instandhaltungsarbeiten hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass die hierdurch bedingte Bildung einer gefährlichen explosions­fähigen Atmosphäre durch Maßnahmen vermieden wird (TRBS 1112 Teil 1). Darüber hinaus hat er die mit den Instandhaltungsmaßnahmen befassten Beschäftigten vor Aufnahme der Arbeiten über die besonderen Explosionsgefährdungen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu informieren.

Bei Instandsetzungsmaßnahmen an Kälteanlagen mit brennbaren Kältemitteln muss mit einer gefährlichen explosionsfähigen Atmosphäre gerechnet werden – sowohl in unmittelbarer Umgebung um den Tätigkeitsbereich als auch im Inneren des Anlagensystems. Ort, Beginn, Dauer und Umfang der erforderlichen Schutzmaßnahmen müssen in einer Arbeitsanweisung vor Beginn der Tätigkeiten schriftlich festgehalten werden. Zur Vereinfachung sollte den Beteiligten eine Checkliste gegeben werden, anhand der bestimmte Maßnahmen abzuarbeiten und zu prüfen sind.

Entnahme des Kältemittels aus einer Anlage

Ist im Zuge einer Reparatur ein Eingriff in den Kältekreislauf erforderlich, muss das Kältemittel vorher aus der Anlage oder aus dem entsprechenden Anlagenabschnitt sicher entfernt werden.

Bei den Kältemitteln der Sicherheitsgruppe A2L handelt es sich in der Regel um fluorierte Stoffe, wie z. B. R-1234yf, R-1234ze(E), R-32, R-454A, R-452B, R-454B und R-454C oder R-455A, die mit handelsüblichen und dafür zugelassenen Entsorgungseinrichtungen abgesaugt und in dafür gekennzeichnete Druckgasflaschen eingefüllt werden können. Danach können diese einer ordnungsgemäßen Aufarbeitung oder Vernichtung zugeführt werden.

Kältemittel der Gruppe A3 sind in der Regel reine Kohlenwasserstoffe, wie z. B. R-290 (Propan), R-600a (Isobutan) oder R-1270 (Propen). Hinsichtlich der Umweltbelastung spricht bei diesen Kältemittel nichts gegen ein einfaches Ablassen in die Atmosphäre. Dies wäre ein durchaus vertretbares Handling bei kleinen Füllmengen (Füllgewicht < 150 g reiner Kohlenwasserstoff).

Ob die Richtlinie 2012/19/EU (WEEE2) damit verletzt würde, bleibt noch zu prüfen. Aus sicherheitstechnischen Gründen kann dieses Verfahren als äußerst problematisch angesehen werden. Ein noch so kontrolliertes Ablassen in die Umgebung provoziert die Herstellung einer gefährlichen explosions­fähigen Atmosphäre. Deshalb wird dringend empfohlen, die gleichen, allerdings für Kohlenwasserstoffe freigegebenen Absaugeinrichtungen einzusetzen wie bei anderen Kältemitteln auch. Es bleibt noch zu klären, ob diese eingesetzten Entsorgungsgeräte als Füll- und Entleerungseinrichtungen gemäß TRBS 2152 einzustufen sind. Denn hier werden ortsbewegliche Druckgasbehälter befüllt. Sollte dies so gesehen werden, muss die nähere Umgebung als Zone 1 nach Explosionsschutzregeln eingeordnet werden.

Es ist unbedingt darauf zu achten, dass keine Luft zusätzlich in die Druckbehälter gelangen kann. Verbindungsschläuche sind vorher zu evakuieren oder mit Stickstoff zu spülen.

Wichtig! Die Dichten der Kältemittel unterscheiden sich erheblich. Es sind unbedingt die maximalen Füllgewichte einzuhalten. Diese sind bei Flaschen der Westfalen AG deutlich auf dem jeweiligen Flaschenanhänger angebracht.

Vor allem bei den Kohlenwasserstoffen besteht nach offensichtlicher Beendigung des Absaugvorganges lange Zeit noch die Gefahr, dass erhebliche und unter Umständen gefährliche Mengen an Kältemittel aus dem Öl ausgasen. Das hängt mit der extremen Öllöslichkeit dieser Kältemittel zusammen.

Deshalb muss unbedingt darauf geachtet werden, dass bei Erreichen eines Unterdruckes keine Luft ins abgesaugte System eindringt. Hier würde sich eine zündfähige Mischung innerhalb der Anlage bilden können.

Durchführung der Instandsetzung

Unmittelbar nach Beendigung des Absaugvorganges muss trockener Stickstoff in die Kälteanlage eingeleitet werden. Um das Eindringen von Luft zu verhindern, ist es ausreichend, den Stickstoffdruck nur etwas über dem atmosphärischen Druck einzustellen.

Die Durchführung der Instandsetzung erfolgt nach Maßgabe der DIN EN 378 Teil 4 und gemäß TRBS 1112 Teil 1. Sollten zur Instandsetzung Löt- bzw. Schweißarbeiten notwendig sein, ist vor Beginn und während der Tätigkeit mit geeigneten Gaswarngeräten die nähere Umgebung auf eine zündfähige Atmosphäre zu prüfen.

Ist die Instandsetzung abgeschlossen, wird die Anlage einer Druckprüfung und das instandgesetzte Bauteil oder der Anlagenabschnitt einer Dichtheitsprüfung und Funktionsprüfung unterzogen (siehe DIN EN 378, Teil 2).

Anschließend wird der Evakuierungsvorgang eingeleitet. Es ist dabei zu prüfen und zu kontrollieren, ob auch wirklich alle Anlagenabschnitte von diesem Vakuum erfasst werden. Nach Erreichen des erforderlichen Endvakuums kann der Füllvorgang beginnen und das System wieder in Betrieb genommen werden. Sind die Arbeiten beendet, müssen alle Sicherheitseinrichtungen, die vor Beginn der Tätigkeit außer Funktion gesetzt wurden, wieder aktiviert werden.

Physikalische Eigenschaften von brennbaren Kältemitteln

Die Eigenschaften der Kältemittel in Bezug auf ihre Brennbarkeit sind sehr unterschiedlich. Deshalb ist es immer zwingend notwendig, den Einzelfall zu betrachten. Vor allem sind die Unterschiede zwischen den Brennbarkeitsklassen A2L und A3 sehr groß.

Die unteren Zündgrenzen sind bei den 2L-Kältemitteln vergleichsweise hoch, sodass sehr hohe Konzentrationen auftreten müssen, um überhaupt eine zündfähige Atmosphäre zu erreichen. Vorausgesetzt, die jeweiligen Montageanleitungen und Aufstellungsbedingungen sind eingehalten, kann dieser Fall weitgehend ausgeschlossen werden.

Checkliste zur Risikobeurteilung

– Wird die Bildung einer gefährlichen explosionsfähigen Atmosphäre verhindert?

– Wer ist anwesend?

– Ist nur zugelassenes Werkzeug vorhanden?

– Ist die Betriebsanleitung gelesen und verstanden worden?

– Erfolgt die Überwachung der Konzentration?

– Wird die erforderliche persönliche Schutzausrüstung verwendet?

– Ist geprüft worden, ob Zündquellen vorhanden sind?

– Kann Gas austreten?

– Ist genug Frischluft (Ventilator) vorhanden?

– Wurde der Arbeitsbereich ausreichend abgesperrt?

– Wurde vor Beginn der Instandsetzungsmaßnahme die Kälteanlage von jeglicher Stromzufuhr getrennt?

(Keine Gewährleistung auf Vollständigkeit und Richtigkeit)

Grundsätze für den Umgang mit brennbaren Kältemitteln

– Ich bin mir bewusst, mit brennbaren Stoffen zu hantieren und kenne deren Eigenschaften.

– Ich verwende nur Praktiken für eine sichere Handhabung und Lagerung brennbarer Kältemittel

– Ich wende nur Verfahren an und benutze nur Gerätschaften, welche Unfälle mit brennbaren Stoffen ausschließen.

– Ich halte mich ständig auf einem aktuellen Kenntnisstand.

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