Kältemittel für die Prozesskühlung

F-Gase-Verordnung: Veränderungen am Kältemittelmarkt

Die EU-Verordnung 517/2014 zur schrittweisen Reduzierung der Emissionen von fluorierten Treibhausgasen (F-Gase) sorgt nach wie vor für Diskussionen in der Kältebranche. Zeitweilige Kältemittelengpässe werfen bei Anlagenbetreibern die Frage nach dem Handlungsbedarf auf. Schwer entflammbare Kältemittel wie R32 können für die Prozesskühlung eine ernstzunehmende Alternative zu herkömmlichen Kältemitteln darstellen.

Für ordnungsgemäße Prozessabläufe in der Maschinenbauindustrie müssen Industriekühlanlagen einwandfrei funktionieren – und das bestenfalls über viele Jahre hinweg. Elementar ist dabei auch die Verfügbarkeit der benötigten Kältemittel. Denn abhängig vom jeweils verbauten Verdichter kommen nur exakt auf den jeweiligen Kältekreislauf abgestimmte Kältemittel infrage. Zeitweilige Engpässe bei Kältemittellieferungen sorgten daher für großen Aufruhr. Auf Seite der Betreiber wächst inzwischen die Verunsicherung: Sie fürchten, dass bestimmte Kältemittel künftig sehr kostspielig werden, nicht mehr erhältlich sind oder gar ganz verboten werden. In diesem Zusammenhang häufen sich auch Spekulationen über geringere Kälteleistungen und besondere Sicherheitsvorkehrungen bei der Verwendung von alternativen Kältemitteln.

Hintergrund der jetzigen Situation ist vor allem die F-Gase-Verordnung (EU-Verordnung 517/2014), die in der Kältebranche nach wie vor rege diskutiert wird. Im Rahmen der Umsetzung der EU-Klimaziele sollen bis 2030 die Emissionen der fluorierten Treibhausgase (F-Gase) in festgelegten Stufen eingedämmt werden. Dazu wird die Menge der F-Gase aus dem Jahr 2015 als Richtwert herangezogen – zur Vereinheitlichung wird das sogenannte Treibhauspotenzial (GWP) beziehungsweise CO2-Äquivalent als Maßeinheit zur Klassifikation von Kältemitteln verwendet. Die schrittweise Reduzierung (Phase Down) der am Markt verfügbaren teilfluorierten Kohlenwasserstoffe (HFKW) stellt dabei auch die industrielle Prozesskühlung vor Herausforderungen.

Wo besteht Handlungsbedarf für Anlagenbetreiber?

Anlagenbetreiber fragen sich beispielsweise, wo Handlungsbedarf für sie besteht und inwieweit Bestandsanlagen überhaupt weiterhin verwendet werden dürfen.

Grundsätzlich gilt, dass es keine Verbote für Altanlagen geben wird. Lediglich die Beschaffung der Kältemittel gestaltet sich aufgrund der Quotierung schwieriger und die Preise können höher ausfallen. Unter Umständen herrscht auch Unsicherheit über die Verfügbarkeit bestimmter Kältemittel – denn teilweise wissen Anwender nicht, wie genau das neu eingeführte Quotensystem funktioniert. Konkret werden die Quoten für HFKW-Kältemittel registrierten Importeuren beziehungsweise Herstellern von Kältemitteln nach Antragstellung zugeteilt. Für neue Marktteilnehmer wird überdies ein Teil der Quoten jährlich neu vergeben.

Tatsächlicher Handlungsbedarf besteht dann in erster Linie bei Investitionen in neue Industriekühlanlagen. Im Hinblick auf Neuanschaffungen in den kommenden Jahren ist es also wichtig, ausreichende Informationen einzuholen und sich auch mit entsprechenden Alternativen auseinanderzusetzen. Denn ab 2020 ist bei stationären Neuanlagen der Einsatz von Kältemitteln mit einem GWP größer als 2500 generell verboten. Darunter zählt etwa das weit verbreitete Kältemittel R404A. Entsprechend zeichnet sich insgesamt eine Veränderung am Kältemittelmarkt ab: Seit Beginn dieses Jahres stehen nur noch 63 % des CO2-Äquivalents von 2015 zur Verfügung. Daher werden nun herstellerseitig verstärkt weitere Optionen erforscht und andere Kältemittelgruppen getestet. Auf diese Weise sollen neue Kühlanlagen möglichst zukunftsfähig werden. Doch ein Kältemittel muss je nach Anwendungsbereich spezifische Kriterien erfüllen, um eine optimale Kühlleistung zu erzielen.

Schwer entflammbare Kältemittel als mögliche Alternative

Folglich spielen bei der Auswahl alternativer Kältemittel neben finanziellen Gesichtspunkten und der Einhaltung rechtlicher Rahmenbedingungen auch Faktoren wie Umweltverträglichkeit, Energieeffizienz sowie Sicherheit eine entscheidende Rolle. Zur Zukunftssicherung kann es zudem sinnvoll sein, auf langfristig verfügbare Kältemittel zu setzen. Angesichts der Maßnahmen zum Klimaschutz konzentriert sich auch der Markt im Bereich Prozesskühlung zunehmend auf Kältemittel mit niedrigerem GWP. Immer wieder im Gespräch sind etwa Hydrofluorolefine (HFO), deren Treibhauspotenzial zwar sehr gering ausfällt, die aber bei größeren Anlagen eine niedrigere volumetrische Prozesseffizienz aufweisen: Es wird also mehr Kältemittel benötigt, um die gleiche Kühlleistung zu erzielen – das hat höhere Kosten zur Folge. Wegen des hohen Temperaturgleits kommen Gemische aus HFO- und HFKW-Kältemitteln aber auch aus baulichen Gründen nicht für Prozesskühler infrage: Die Kühlsysteme werden so deutlich komplexer. Auch natürliche Kältemittel haben sich zum Teil bereits etabliert, zum Beispiel Ammoniak (R717) in Großkälteanlagen und Kohlenstoffdioxid (R744) in der Lebensmittelkühlung. Für die Prozesskühlung sind die natürlichen Alternativen jedoch ebenfalls weniger geeignet, da deren Einsatz bei kleinen Kühlanlagen energetisch nicht sinnvoll ist.

Stattdessen können im Bereich Industriekühlung etwa schwer entflammbare Kältemittel eine ernstzunehmende Alternative darstellen. R32 gilt als vielversprechender und zukunftsfähiger Ersatz für das gängigste Kältemittel R410A. Das GWP des Ersatzkältemittels ist mit 675 um etwa 70 % geringer, außerdem besitzt es eine höhere volumetrische Kälteleistung. Es liefert die gleiche Leistung bei 20 – 30 % weniger Füllmenge, was beim Thema Kosten nicht unerheblich ist. R32 ist nicht giftig und bedingt entflammbar: Es zählt zur Sicherheitsklasse A2L und fällt gemäß EU-Recht unter die Gefahrenstoffe. Die fachgerechte Handhabung darf bei R32 daher keineswegs vernachlässigt werden.

Einhaltung von Sicherheitsvorschriften

Maßgeblich bei der Handhabung von R32 ist die Umsetzung entsprechender Sicherheitsmaßnahmen, wie sie in nationalen Vorschriften und der Norm DIN EN 378 geregelt sind. R32 ist schwerer als Luft und sammelt sich am Boden an, was in kleinen Räumen zu einem zündungsfähigen Gemisch von Kältemittel und Sauerstoff führen kann. Aus diesem Grund müssen Anlagenbetreiber stets für eine ausreichende Belüftung der Räumlichkeiten sorgen, um das Austreten der Gase in gefährlicher Konzentration zu verhindern. Außerdem ist in der DIN EN 378 definiert, dass zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen notwendig sind, wenn die maximal zulässige Füllmenge der Kältemittel für den jeweiligen Raum überschritten wird. So lässt sich das Risiko einer Brandentwicklung vermeiden. Darüber hinaus sind auch immer die nationalen Rechtsvorschriften zu beachten, beispielsweise die Arbeitsstättenverordnung und die Gefahrenstoffverordnung. Vor allem Letztere muss berücksichtigt werden, wenn es um die Verwendung von schwer entflammbaren Kältemitteln wie R32 geht.

Eine weitere nationale Vorschrift – die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) – beschreibt zudem den fachgerechten Umgang mit Arbeitsmitteln. Ein elementarer Bestandteil der geforderten Maßnahmen ist dabei eine Gefährdungsbeurteilung. Dies gilt insbesondere bei Prozessen, die offene Zündquellen erforderlich machen – beispielsweise Laserschneiden, Feuerhärten oder elektrische Erodierverfahren. Je nach Ergebnis der Beurteilung kann es in diesen Fällen ratsam sein, bis auf Weiteres herkömmliche Kältemittel wie R410A zu verwenden. Durch eine gesicherte Quote erhalten Anwender die Kältemittel für Service und Nachfüllung in den nächsten Jahren in ausreichender Menge. Daneben gewährleisten auch noch weitere Versorgungsoptionen die allgemeine Verfügbarkeit.

Recycling als weitere Option

Beispielsweise kann das Recyceln von Altkältemitteln eine sinnvolle Alternative sein. Denn wiederaufbereitete Kältemittel bieten Anlagenbetreibern verschiedene Vorteile. Zum einen werden Kältemittel, die in Verkehr gebracht und anschließend recycelt werden, im Phase Down nicht berücksichtigt – die Quote kann somit geschont werden. Andererseits ist das Recyceln kostengünstiger als Neukäufe. Beim Recycling wird das Kältemittel zunächst abgesaugt und anschließend an die Hersteller zurückgeschickt. Durch die Aufbereitung bleiben die Kälteeigenschaften dann noch viele weitere Jahre erhalten. Die recycelten Kältemittel sind also hinsichtlich ihrer Leistung gleichwertig mit neuen Kältemitteln. Bis zum 1. Januar 2030 dürfen sogar wiederaufbereitete Kältemittel mit einem GWP größer als 2500 in Kühlanlagen verwendet werden, also diejenigen Kältemittel, die bei Neubefüllungen ab 2020 verboten sind.

Regelmäßige Dichtheitskontrollen

Unabhängig von der Wahl des Kältemittels ist es für Anlagenbetreiber wesentlich, Bestandsanlagen regelmäßig auf ihre Dichtheit zu prüfen. Denn die Dichtheitskontrolle ist mit der F-Gase-Verordnung ebenfalls verbindlich geregelt. Gemäß der Verordnung soll die unbeabsichtigte Freisetzung der F-Gase (Leckage) verhindert werden. Die Häufigkeit der Dichtheitskontrollen hängt von den Tonnen CO2-Äquivalent ab. Darüber hinaus müssen Aufzeichnungen geführt werden, die unter anderem Angaben über den tatsächlichen Kältemittelverbrauch enthalten müssen. Für Kühlsysteme ab 500 t CO2-Äquivalent sind außerdem sogenannte Leckage-Erkennungssysteme (LES) verpflichtend, die nahe dem Verdichter installiert werden. Ein LES muss in der Lage sein, das Austreten der F-Gase festzustellen und den Betreiber zu warnen – undichte Anlagen sollten dann schnellstmöglich repariert werden.

Fazit

Insgesamt besteht für Anlagenbetreiber aus dem Umfeld der Prozesskühlung weniger Handlungsbedarf als von vielen befürchtet: In den meisten Fällen erfordern erst Investitionen in neue Kühler gezielte Schritte. Vor der Anschaffung von neuen Industriekühlern muss für die jeweiligen Prozesse abgewogen werden, ob der Einsatz alternativer Kältemittel sinnvoll und sicher ist. Mitunter können Anwender dann sowohl von geringeren Kosten als auch von einer hohen Prozesseffizienz profitieren und darüber hinaus noch zum Klimaschutz beitragen. Dennoch sind herkömmliche Kältemittel nach wie vor gefragt. Bei gesicherter Quote sind gemeinhin auch keine Lieferengpässe zu befürchten – und abhängig von der Füllmenge bleiben selbst durch künstliche Verknappung hochpreisige Kältemittel mengenmäßig bezahlbar. Zusätzliche Kostenersparnisse ergeben sich etwa durch die Hyfra-Microchannel-Technologie sowie den Einsatz von Plattenwärmetauschern, welche die erforderliche Füllmenge noch einmal reduzieren können.

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