Keine Kompromisse mehr auf dem Weg zur Klimaneutralität

Daikin fordert im Interview mit der KKA ein Bekenntnis zur Wärmepumpe als Standardtechnologie

Das neue Klimaschutzgesetz sieht vor, dass Deutschland in knapp 24 Jahren und damit fünf Jahre früher als ursprünglich geplant klimaneutral sein soll. Das Ziel ist gesetzt, doch über die Wege, wie dies erreicht werden soll, gibt es viele Meinungen. Im Interview mit der KKA fordert Volker Weinmann, Beauftragter Politik, Umwelt und Verbände bei Daikin Airconditioning Germany, von einer neuen Bundesregierung ein klares Bekenntnis zur Wärmepumpe als Schlüsseltechnologie für die Energiewende im Gebäudesektor.

KKA: Herr Weinmann, Sie verfolgen in ihrer Funktion bei Daikin die Ampel-Koalitionsgespräche in Berlin intensiv. Was erhoffen Sie sich von einer neuen Bundesregierung?

Weinmann: Unser Appell an die neue Bundesregierung lautet ganz klar: Jetzt ist die Zeit zu handeln. Wir können uns auf dem Weg zur Klimaneutralität keine Kompromisse mehr leisten. Dazu gehört auch, sich vom Mantra der Technologieoffenheit, beispielsweise bei der technischen Gebäudeausrüstung, zu lösen. Die Wärmepumpentechnik ist die zentrale Technologie in dieser entscheidenden Transformationsphase.

KKA: Was meinen Sie konkret in diesem Zusammenhang mit Technologieoffenheit?

Weinmann: Wir sind an einem Punkt angekommen, wo wir uns die propagierte Technologieoffenheit schlichtweg nicht mehr leisten können. Wir müssen jetzt handeln und Technologien, deren Vorteile offensichtlich sind, und deren Einsatz uns schnell ans Ziel der Klimaneutralität bringen, priorisieren. Wird die Priorisierungsentscheidung zu lange aufgeschoben, führt dies dazu, dass wertvolle Ressourcen und wertvolle Zeit im Kampf gegen die globale Erwärmung verloren gehen. Klimaschutz kann technologieoffen nicht erfolgreich sein.

KKA: Können Sie uns das an einem konkreten Beispiel aufzeigen?

Weinmann: Aktuell wird einerseits auf veraltete Technik gesetzt, andererseits wird über Technologien debattiert, die längst noch nicht marktreif sind, wie der Einsatz von Wasserstoff in der Gebäudewärme. Diese Diskussionen lenken ab und führen uns nicht ans Ziel. Jeder neu installierte fossile Heizkessel geht zulasten der Klimaneutralität. Allein im Jahr 2020 wurden in Deutschland rund 623.100 Gasheizungen verkauft. Dabei ist jeder jetzt installierte fossile Heizkessel aufgrund seiner Lebensdauer für mindestens die nächsten 10 bis 15 Jahre ein Verlust für die Energiewende. Etablierte Konzepte wie die Wärmepumpe sind vorhanden, um Klimaneutralität in allen Bereichen zu forcieren. Von der neuen Bundesregierung erwarten wir uns deshalb eine Klimapolitik, die die Wirtschaft beim Klimaschutz entschlossen unterstützt und große Schritte nach vorne macht, statt auf veraltete Technologien zu setzen. Daher hat Daikin zum Beginn der vertieften Sondierungsverhandlungen gemeinsam mit einer breiten Allianz deutscher Unternehmen (Stiftung 2°) aus allen Schlüsselsektoren der Wirtschaft eine ambitionierte sektorübergreifende Klimapolitik gefordert, die den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens gerecht wird.

KKA: Sie sagen, die Debatte um Wasserstoff in der Gebäudewärme verzögere die Erreichung der Klimaneutralität?

Weinmann: Ja, denn der Gebäudesektor braucht keine Alternative wie Wasserstoff – es gibt ausreichend Lösungen wie Wärmepumpe, Biomasse und Sanierung der Gebäudehülle, die die Energiewende im Gebäudesektor jetzt und sofort voranbringen können. Importierter grüner Wasserstoff wird als die ideale Lösung zum Erreichen der Klimaschutzziele im Gebäudesektor dargestellt. Diese Debatten bringen uns nicht weiter. Hier wird eine teure Lösung diskutiert, von der nicht bekannt ist, wann sie verfügbar ist und welche internationalen Abhängigkeiten entstehen. Auch werden dabei völlig veraltete Argumente aufgegriffen, welche Voraussetzungen ein Gebäude vorweisen muss, damit eine Wärmepumpe eingesetzt werden kann. Der Einsatz von grünem Wasserstoff in Bereichen, die sich jetzt sofort anderweitig klimaneutral gestalten lassen – und das sogar energetisch noch deutlich effizienter – ist daher nicht sinnvoll und voraussichtlich auch unwirtschaftlich. Für die Industrie und teilweise im Verkehr ist der Einsatz von Wasserstoff hingegen unverzichtbar.

KKA: Können Sie Ihre Aussagen mit konkreten Zahlen untermauern?

Weinmann: Sehr gerne. Ich möchte mich hier auf eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik beziehen. Die Studie „Wasserstoff im zukünftigen Energiesystem: Fokus Gebäudewärme“ beantwortet die Fragen, wie sich die Wasserstoffversorgung grundsätzlich darstellt und wie sinnvoll Wasserstoff für die Gebäudewärmeversorgung ist. In Hinblick auf den Wärmemarkt zeigen die Ergebnisse der IEE Studie Folgendes: Gesellschaftlicher und politischer Konsens der letzten Jahre war, dass die direkte Stromnutzung dort, wo technisch sinnvoll, zu maximieren ist. Bei der Gebäudewärmeversorgung ist Power-to-Gas aufgrund zu hoher Umwandlungsverluste (Strom – Elektrolyse – Methanisierung – Wärme) keine Option. Der Verlust von Primärenergie in der Wasserstofferzeugung wird auf bis zu 40 % geschätzt. Die Wärmepumpe bietet hier klare Effizienzvorteile: Aus 1/3 Strom und 2/3 Umweltwärme wird Wärme. Der Wirkungsgrad einer Wärmepumpe ist um ein Vielfaches höher. Nun werden diese Erkenntnisse erneut in Frage gestellt, weil durch eine mögliche direkte Nutzung des Wasserstoffs im Gebäude, ein Umwandlungsschritt (die Methanisierung) entfällt. Das Fraunhofer IEE sieht aufgrund der verbleibenden Wirkungsgradkette weiterhin eine Nutzung von Wasserstoff nicht für die Gebäudewärme geeignet und sinnvoll.

KKA: Reicht denn das nationale Ausbaupotenzial für die erneuerbare Stromerzeugung aus?

Weinmann: Natürlich stellt sich diese Frage, ob genügend grüner Strom zur Verfügung steht, um eine flächendeckende Verbreitung der Wärmepumpe im Gebäudebereich abzudecken. Das Fraunhofer IEE sagt hierzu ganz klar „Ja“. Es hat die unterschiedlichen Hochrechnungen vom Bundesministerium für Umwelt, vom Umweltbundesamt, vom Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. und ihre eigenen Hochrechnungen aus dem Barometer der Energiewende verglichen und kommt zu dem Schluss, dass die zukünftige Nachfrage an grünem Strom durch den konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien aus heimischer Erzeugung gedeckt werden kann. Hinzu kommt, dass eine hohe Versorgungssicherheit durch den europäischen Netzausgleich gegeben ist.

KKA: Eine Klimaneutralität kann ja nur erreicht werden, wenn der Gebäudebestand entsprechend umgerüstet wird.

Weinmann: Richtig, wir müssen an den Bestand ran. Allein auf die Gebäudebeheizung (Haushalte, Gewerbe, Handel und Dienstleistung) entfällt mehr als die Hälfte des deutschen Gasverbrauchs. Und von den 21 Millionen Heizungsanlagen in Deutschland sind mindestens 12 Millionen veraltet, ineffizient und nutzen keine erneuerbare Energie. So schlummert im Gebäudesektor ein gewaltiges Energieeinspar- und CO2-Minderungspotenzial.Mit 55 bis 60 % konzentriert sich der Wärmepumpenabsatzmarkt heute stark auf den Neubaubereich. Im Neubau hat sich die Wärmepumpe als Standardtechnologie etabliert – ihr Anteil lag 2019 laut Statistischem Bundesamt bereits bei über 46 %. Zur Erreichung der Klimaziele ist jedoch ein flächendeckender Einsatz von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden notwendig. Dafür werden laut aktuellen Prognosen der Denkfabrik Agora Energiewende und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie bis 2050 7 bis 14 Millionen Wärmepumpen benötigt.

KKA: Viele Kritiker sind aber skeptisch, ob Wärmepumpen in allen Gebäudetypen sinnvoll einsetzbar sind.

Weinmann: Das ist ein altes Vorurteil. Wärmepumpen eignen sich mittlerweile für alle Gebäude – vom Einfamilienhaus bis zu Gewerbegebäuden, auch im unsanierten Altbau. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE hat mit seinen Felduntersuchungen von Wärmepumpenanlagen im Laufe der letzten 20 Jahre gezeigt, dass es möglich (und notwendig) ist, Wärmepumpen ökologisch und ökonomisch erfolgreich in Bestandswohngebäuden einzusetzen. Und auch in Gewerbegebäuden wird die Wärmepumpentechnologie flächendeckend genutzt: So beheizt dm-drogerie markt die überwiegende Anzahl seiner 2.000 Filialen, bestehend aus Bestandsimmobilien und Neubau, klimafreundlich mit der VRV Wärmepumpentechnologie.

KKA: Die Wärmepumpe ist also der beste Wärmerzeuger hin zur Klimaneutralität?

Weinmann: Ja, absolut. Die Wärmepumpen-Heizung ist in einer CO2-freien Energiewirtschaft sowohl aus wirtschaftlichen Gründen als auch unter Effizienzgesichtspunkten der nachweislich bestmögliche Wärmeerzeuger. Aus einer Kilowattstunde erneuerbarem Strom erzeugt eine Heizungswärmepumpe im Jahresmittel mindestens drei Kilowattstunden Wärme. Das Verheizen von Wasserstoff in Gas-Brennwert-Heizungen verbraucht mindestens viermal so viel erneuerbaren Strom wie eine Wärmepumpen-Heizung. Auch die Argumentation, dass eine Brennwert-Wasserstoff-Heizung durch geringere Investitionen wirtschaftlicher sei als eine Wärmepumpen-Heizung, ist falsch. Mit dem Klimaschutzpaket und der CO₂-Bepreisung von Verkehr und Wärme ab 2021 hat die Politik die Richtung vorgegeben: Im Verhältnis wird Strom durch das Ansteigen der Preise für fossile Brennstoffe in Zukunft günstiger werden. Hinzu kommt, dass der Ökostrom-Anteil kontinuierlich wächst. Das bedeutet, Heiz- und Klimatechnologie basierend auf dem Wärmepumpenprinzip trägt bereits heute zu einer weitgehend treibhausgasneutralen Energieversorgung bei.

Jede heute eingesparte Tonne CO2 bringt uns mehr als die von morgen, übermorgen oder in 20 Jahren. Darum sollten wir heute schon umsetzen, was möglich ist, und erprobte Technologien nutzen. Gebäude, die mit Wärmepumpen ausgestattet sind, entlasten die Nachfrage nach Wasserstoff. Für die Bereiche, die wirklich auf grünen Wasserstoff als erneuerbare Energiequelle angewiesen sind, stünde der Gebäudesektor nicht in Konkurrenz, sondern entlastet die Nachfrage.

KKA: Herr Weinmann, herzlichen Dank für das Gespräch.

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