Legionellen in Rückkühlwerken

Neue Regelungen durch die VDI 2047

Verdunstungskühlanlagen werden seit langem zur Abführung von Wärmelasten, z.B. aus Produktions- und Fertigungsprozessen, Klimaanlagen von Bürogebäuden und Krankenhäusern etc. eingesetzt. Hierbei wird die Kühlwirkung ausgenutzt, die bei der Verdunstung von Wasser entsteht. Wann immer aber wie bei Verdunstungskühlanlagen Aerosole freigesetzt werden, muss man sich mit dem Thema Legionellen auseinandersetzen.

In Verdunstungskühlanlagen (VKA) wird Wasser über einem Wärmetauscher oder  einem Füllkörper verrieselt.  Die im Gegenstrom durchgeblasene oder gesaugte Luft lässt einen Teil des Wassers verdunsten  und erzeugt so die erwünschte Kühlwirkung.

Je nach Bauart wird zwischen offenen und geschlossenen VKA unterschieden. Unabhängig davon, ob die VKA mit offenem oder geschlossenem Kreislauf betrieben wird, kommt bei beiden Bauarten das ggf. mit Legionellen kontaminierte Kühlwasser mit dem Abluftstrom in Kontakt. Mit der Abluft können Aerosole (Gemisch aus festen oder flüssigen Schwebeteilchen mit einem Gas) mit legionellenhaltigen Wassertröpfchen mitgerissen werden. Studien zeigen, dass Legionellen in Aerosolen überleben können, so dass  auf diese Weise Legionellen bei bestimmten Wetterlagen auch über längere Strecken transportiert und so über große Areale in der Umgebung der VKA verteilt werden können.

Rückkühlwerke als Infektionsquelle

In den letzten Jahren und Jahrzehnten kam es in verschiedenen europäischen Ländern immer wieder zu größeren Ausbrüchen von Legionellen-Erkrankungen. Oftmals konnten hierbei Rückkühlwerke als Infektionsquelle identifiziert werden. In den betroffenen Ländern gab es daraufhin entsprechende Reaktionen, indem vorhandene gesetzliche Regelungen verschärft oder neue Regelungen zur Verminderung des Hygienerisikos durch Legionellen-Austrag aus Verdunstungskühlanlagen / Rückkühlwerken erstellt wurden.

Nach dem Legionellose-Ausbruch im Jahr 2010 von Ulm / Neu-Ulm mit 64 Erkrankten und fünf Toten wurde in Deutschland die Trinkwasserverordnung novelliert. Sie verpflichtet jetzt die Betreiber von öffentlich und gewerblich genutzten Warmwasserinstallationen (gewerblich genutzte unter bestimmten Voraussetzungen) das Wasser in regelmäßigen Abständen auf Legionellen prüfen zu lassen. Außerdem wurde beim VDI ein Ausschuss von ehrenamtlichen Fachleuten gebildet, um eine Richtlinie zur Sicherstellung des hygienegerechten Betriebs von Verdunstungskühlanlagen zu erstellen. Die gleichnamige Richtlinie VDI 2047 Blatt 2 ist im Januar 2014 als Entwurf und im Januar 2015 als gültige Richtlinie erschienen. Sie gilt für alle „Verdunstungskühlanlagen und -apparate, bei denen Wasser verrieselt oder versprüht wird oder anderweitig in Kontakt mit der Atmosphäre kommen kann.“

Hygienegerechter Betrieb von Verdunstungskühlanlagen

Der Legionelloseausbruch in Warstein im Jahre 2013 wurde vom Gesetzgeber zum Anlass genommen, eine entsprechende Rechtsverordnung im Rahmen des Bundesimmissionsschutzgesetzes zu entwerfen. Der Entwurf zu dieser Verordnung  („Eckpunktepapier für eine Rechtsverordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Verdunstungskühlanlagen inkl. Naturzugkühltürme und Nassabscheider) 06/2014)“ basiert auf dem Entwurf der VDI 2047 Blatt 2 und erschien im Juni 2014. Ein Abschluss der Verordnung ist für die zweite Jahreshälfte 2016 angestrebt.

Ziel sowohl dieser Verordnung als auch der Richtlinie VDI 2047 Blatt 2 ist, einen hygienegerechten Betrieb von Verdunstungskühlanlagen sicherzustellen und somit das Risiko eines Austrags von Legionellen in die Atmosphäre zu minimieren.

Ursachen der Legionellose

Legionellen sind natürlich vorkommende Wasserbakterien, die in vielen Gewässern vorkommen und durch die Wassergewinnungsanlage auch in technische Wassersysteme gelangen können. Unter für Legionellen günstigen Bedingungen, wie entsprechendes Nahrungsangebot und wachstumsfördernde Temperatur, können sich die Bakterien in diesen Systemen stark vermehren.

Werden dann aus diesen Wassersystemen legionellenhaltige Aerosole freigesetzt und diese Aerosole eingeatmet, kann es zu einer schweren (atypischen) Lungenentzündung, der sogenannten Legionellose, hauptsächlich verursacht durch das Bakterium Legionella pneumophila, kommen. In ca. 5 bis 10 % der Fälle führt diese Erkrankung trotz medizinischer Behandlung zum Tode. Wie kann es nun zu einer Gefährdung hinsichtlich Legionellose-Ausbrüchen durch Verdunstungskühlanlagen kommen?

Wie anfangs bereits erwähnt, kommt in VKA das Kühlwasser bei der Verrieselung  mit der Umgebungsluft in Kontakt. Ein Teil des Wassers wird verdunstet, der nicht verdunstete Anteil wird in Wannen aufgefangen und über Pumpen wieder der Verrieselung zugeführt. Die Verrieselung wirkt wie eine Luftwäsche, so dass organisches Material aus der Luft (z.B. Staubpartikel, Gase) in den Kühlwasserkreislauf eingetragen werden kann. Weitere organische Bestandteile z.B. aus Werkstoffen und Zusatzstoffen bilden dann die Nahrungsgrundlage für Mikroorganismen. Kommen dann noch weitere günstige Faktoren hinzu, können sich Mi­kroorganismen im Kühlwasserkreislauf vermehren. Besonders kritisch ist hierbei die Bildung sogenannter Biofilme, die einen hervorragenden Lebensraum für Mikroorganismen bieten.

Biofilme sind an Oberflächen (z. B. Rohrleitungen) im Wasser auftretende Ansammlungen von Mikroorganismen, die sich mit einer selbst gebildeten Matrix aus Schleimstoffen umgeben. Das Leben der Mikroorganismen im Biofilm ist mit verschiedenen Vorteilen verbunden, u.a. schützt der Biofilm vor dem Einfluss von Desinfektionsmitteln.

Der Biofilm ist auch der „natürliche“ Lebensraum von Legionellen, die hier ebenfalls die Vorteile nutzen und sich in Amöben (Einzeller ohne feste Körperform,  durch Ausbildung von Scheinfüßchen Gestalt laufend änderbar), die sich ihrerseits vom Biofilm ernähren, vermehren können.

Im Kühlkreislauf einer VKA stehen Ablagerungen, Korrosion und Biofilme in komplexen und dynamischen Wechselbeziehungen zueinander. Biofilme entstehen bevorzugt an Ablagerungen, die sich z.B. an Rohroberflächen absetzen sowie auch an Korrosionsstellen. Um einen hygienegerechten Betrieb der VKA sicherzustellen, sollte die Vermehrung von Mikroorganismen kontrolliert sowie die Bildung von Ablagerungen und Korrosion im Wassersystem verhindert bzw. reduziert werden.

Dies bedingt neben planerischen und kon­struktiven Voraussetzungen (u.a. Vermeidung von Totleitungen und Stagnationswasser, leichte Zugänglichkeit und Reinigung von Filtern, Sieben etc., Vermeidung des Eintrags von Nährstoffen für Mikroorganismen aus der Luft und aus Zusatzwasser und Dispergiermitteln) auch die regelmäßige Kontrolle und Abstimmung verschiedener chemischer, physikalischer und mikrobiologischer Parameter im Wasser.

Gefährdungsbeurteilung und Überwachung

Für einen hygienisch einwandfreien Betrieb ist für jede VKA eine Gefährdungsbeurteilung unter Hinzuziehung einer hygienisch fachkundigen Person (z.B. Person mit Zertifikat über VDI-2047-Schulung) durchzuführen. Auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung ist ein Maßnahmenplan zu erarbeiten und umzusetzen.

Um den hygienischen Zustand einer Verdunstungskühlanlage präventiv zu erfassen, sind regelmäßige Überwachungen aller Komponenten erforderlich. Wo eine automatisierte Überwachung nicht möglich ist, sollen Inspektionen (in Anlehnung an die Tabelle, siehe unten) durchgeführt werden.

Zur Überprüfung der mikrobiologischen Parameter fordert die Richtlinie VDI 2047 Blatt 2 die verantwortlichen Betreiber dazu auf, engmaschige betriebsinterne Prozess-Kontrollen durch entsprechend geschulte und qualifizierte Mitarbeiter innerbetrieblich fachgerecht durchzuführen.Weiterhin müssen in monatlichen bis vierteljährlichen Intervallen weitere regelmäßige Laborkontrollen auf die mikrobiologischen Parameter Allgemeine Koloniezahl, Legionellen und Pseudomonas aeruginosa durch akkreditierte Labore vorgenommen werden .

Die Bestimmung der verschiedenen mikrobiologischen Parameter dient unterschiedlichen Zwecken:

1. Überwachung  des Kreislaufwassers  durch die sogenannten Überwachungsparameter: Allgemeine Koloniezahl und Pseudomonas aeruginosa. Erhöhte Konzentrationen werden hier nicht im Sinne einer Gesundheitsgefährdung gesehen, sondern liefern Anhaltspunkte zur Betriebsweise der VKA und geben Anlass zu einer Überprüfung.

2. Überwachung des hygienischen Zustandes  des Kreislaufwassers im Sinne einer Gesundheitsgefährdung durch die Untersuchung auf  den Parameter Legionellen

Die Bestimmung der Allgemeinen Koloniezahl dient der Überwachung des mikrobiologischen sogenannten „Normalzustandes“ des Kreislaufwassers. Hierbei werden die aeroben und fakultativ anaeroben Mikroorganismen erfasst. Der Normalzustand, sozusagen die „Nulllinie“, ist für jedes Kreislaufwasser individuell zu bestimmen. Er ist abhängig von verschiedenen Faktoren, z.B. Qualität des Zusatzwassers oder dem Einsatz von Bioziden etc. Zur Erfassung des Normalzustands sollte über einen Zeitraum von drei Monaten in wöchentlichen Intervallen die Allgemeine Koloniezahl bestimmt werden. Durch die anschließenden regelmäßigen monatlichen Untersuchungen können negative Veränderungen der Kreislaufwasserbeschaffenheit erfasst und Störungen durch vermehrtes Mikroorganismenwachstum erkannt werden.

Ein weiterer Überwachungsparameter  ist das humanpathogene Bakterium Pseudomonas aeruginosa, das durch seine schleimbildenden Eigenschaften zu Erstbesiedlern von Oberflächen und damit zu den Biofilmbildnern gehört. Ein positiver Nachweis bzw. die Überschreitung des Maßnahmewertes von Pseudomonas aeruginosa weist auf eine massive Biofilmbildung auf Oberflächen innerhalb des Wassersystems und somit auf eine unzureichende Desinfektion oder mangelhafte Instandhaltung hin.

Legionellen gehören zu den humanpathogenen Bakterien. Zum Schutz der Gesundheit, sowohl der Personen, die in Kontakt mit ggf. kontaminiertem Kreislaufwasser kommen, als auch zum Schutz der Bevölkerung durch ggf. legionellenhaltige Aerosole muss das Kreislaufwasser mindestens vierteljährlich untersucht werden. Hierzu ist eine Laboruntersuchung erforderlich, da Legionellen sich nicht durch die Allgemeine Koloniezahl oder andere Indikatorbakterien nachweisen lassen.

In der folgenden Tabelle sind Maßnahmewerte und daraus abzuleitende Maßnahmen für den Parameter Legionellen (gemäß VDI 2047 Bl. 2, Abschnitt 9.3: Hygienekontrollen) aufgeführt:

In entsprechender Weise gibt es in der VDI-Richtlinie 2047-2 auch Maßnahmenwerte für die Allgemeine Koloniezahl und für Pseudomonas aeruginosa. Damit Verdunstungskühlanlagen hygiene­gerecht betrieben werden können, braucht es fachkundiges Personal zur Kontrolle und Wartung. Die Verantwortlichen und/oder mit der Durchführung von Arbeiten betrauten Mitarbeiter müssen deshalb für ihre Aufgaben qualifiziert werden.  Die VDI-Richtlinie 2047 Bl. 2 macht konkrete Angaben zu den Schulungsinhalten und nennt auch Anforderungen an die Referenten. Diese müssen über einschlägige fachliche Kenntnisse auf dem Gebiet der Wasserhygiene und Korrosion wasserberührter Teile verfügen, um eine qualitativ hochwertige Schulung zu gewährleisten. Die Schulungen sind stets von zwei Referenten gemeinsam durchzuführen, wobei der eine Referent das Fachgebiet Technik vertritt und ein einschlägiges Studium oder Meister- oder Technikerprüfung absolviert haben muss und außerdem eine mindestens fünfjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet wasserführender Anlagen und Kenntnisse über Korrosionsvorgänge nachweisen muss. Der zweite Referent ist Hygieniker/Mikrobiologe mit entsprechendem Studium und mindestens fünfjähriger Berufserfahrung im Bereich der technischen Wasserhygiene. Entsprechende Schulungen mit VDI-Zertifikat werden u. a. von der Hygiene-Akademie, Essen (Schulungspartner des VDI) in verschiedenen Städten in Deutschland angeboten. Weitere Informationen und Anmeldung unter www.hygiene-akademie.de.

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