Das Potential Ihres Unternehmens

Was wird aus Ihrem Betrieb (Teil 2)

Die zentrale Fragestellung bei jeder Nachfolgeregelung ist unabhängig von der gewählten Nachfolgeform.  Hierbei dreht sich die Frage nicht allein um den Wert von Anlagevermögen, wie Büroausstattung, Fahrzeugen, Werkzeugen oder ggf. einer Immobilie, also die Substanz des Unternehmens, sondern vielmehr um den Wert von Netzwerken, Mitarbeitern, der Wettbewerbsposition und vielen anderen weichen Faktoren, die im Zusammenwirken erst den Erfolg der Firma und damit den nachhaltigen Gewinn gewährleisten und sichern.

Bereits hier sei angemerkt, dass es den einzig objektiven und wahren Unternehmenswert nicht gibt. In der betriebswirtschaft­lichen Praxis hat sich eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden entwickelt. Letztendlich ist der zu erzielende Verkaufspreis ein Wert, der sich am Markt bildet und Ergebnis entsprechender Verhandlungen zwischen Verkäufer und Interessenten ist. Daher wird im Prozess der Potential- und Wertanalyse ein wahrscheinlich erzielbarer Verkaufspreis bzw. ein entsprechender Preiskorridor definiert. In der Praxis haben sich zur Abschätzung eines möglichen Preises vor allem Methoden nach dem Ertragswertverfahren durchgesetzt.

Entscheidend ist hierbei die Feststellung, dass sich die Unternehmensbewertung am zukünftigen Erfolg des Unternehmens orientiert. Die Kennzahlen und Erfolge der Vergangenheit bilden lediglich einen Anhaltspunkt für mögliche zukünftige Entwicklungen.

Es ist nicht so, wie vielfach im Kreise der Mandanten vereinfacht angenommen wird,  ass Vergangenheitswerte ohne Weiteres in die Zukunft extrapoliert werden können.

Kaufinteressenten kaufen Zukunft und möchten sehr genau wissen, welche Potentiale das Unternehmen besitzt. Daher gilt es im Rahmen der Potentialanalyse, die Erfolgsfaktoren und -potentiale der Firma strukturiert herauszuarbeiten. Um dies zu realisieren, empfiehlt es sich, neben der rein kennzahlenorientierten Betrachtung, eine strukturierte Stärken- und Schwächenanalyse durchzuführen und darauf einen entsprechenden Businessplan für die kommenden drei Geschäftsjahre aufzustellen.

Potentialanalyse

Um eine Potentialanalyse strukturiert durchführen zu können, hält die Betriebswirtschaftslehre eine ganze Reihe von Modellen parat, die unternehmerischen Erfolg erklären und herleiten können. Sehr populär ist das 7S-Modell der McKinsey Group, das harte (messbare) und weiche Faktoren unterscheidet.

Strategie (strategy)

Die Unternehmensstrategie muss einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil gewährleisten.

Struktur (structure)

Die Aufbauorganisation ist das hierarchische Gerüst einer Organisation und definiert so grundlegende Rahmenbedingungen.

Systeme (systems)

Systeme bilden den Rahmen für weitere Prozesse.

Spezialfertigkeiten (skills)

Dieser Faktor meint charakteristische Fähigkeiten, die das Unternehmen als Ganzes am besten beherrscht (Corporate Skills).

Stammpersonal (staff)

Mitarbeiter werden als Menschen und Mitglieder der Organisation gesehen; sie bedingen die Ausgestaltung des Personalwesens sowie die Demographie des Unternehmens.

Stil (style/culture)

Unternehmenskultur sollte sowohl vom Management definierte als auch historisch entwickelte Elemente berücksichtigen.

Selbstverständnis (shared values/superordinate goals)

Das Unternehmensleitbild vermittelt Werte und Normen (Corporate Identity) und muss von vielen Mitarbeitern vertreten werden.

Zur ersten vertiefenden Annährung an die Thematik empfehlen wir http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/sieben-s-modell.html.

Ein vorbereiteter Kaufinteressent wird sich an einem derartigen Modell orientieren, wenn er die Erfolgschancen und Zukunftsszenarien beurteilen möchte.  Daher ist es nötig, die genannten Themenkreise im Detail vorzubereiten.

Welche Produkte und Dienstleistungen ver­kauft das Unternehmen und was ist der besondere Nutzen für den Kunden?

Bestehen Alleinstellungsmerkmale, gibt es ggf. einen Vorsprung in Know-how und Technik und hat das Unternehmen einen hohen Wiedererkennungswert?

Fast logisch schließt sich daran die Klärung, welchen Anteil die Produkte und Dienstleistungen jeweils am Umsatz und Ertrag der Firma haben. In diesem Zusammenhang wird auch überprüft welche Prozesse (bspw. Verkauf, Einkauf, Logistik, Verwaltung) im Unternehmen besonders gut oder auch schlecht gestaltet sind.

Belegschaft als Erfolgsfaktor

Getreu dem Motto „Menschen machen Märkte“ ist die Belegschaft des Unternehmens einer der bedeutendsten Erfolgsfaktoren. Neben rein formalen Themen wie der Aufbauorganisation, dokumentiert durch einen Organisations- und Stellenplan, Statistiken zu Ausfallzeiten und Überstunden, beschäftigt sich der potentielle Nachfolger mit den Kompetenzfeldern der Belegschaft:

Ausprägung der Fachkompetenzen,

Ausprägung der Sozialkompetenzen,

Führungskompetenz der Abteilungsleiter,

Motivationsniveau der Belegschaft.

Von besonderer Bedeutung sind auch der demographische Aufbau der Belegschaft und die Fähigkeit des Unternehmens, dem mittlerweile akuten Fachkräftemangel durch entsprechende Strategien zu begegnen.

Neben dem internen Zusammenspiel von Strategie und Planung, Mitarbeitern und Systemen, Fähigkeiten und Kompetenzen, wird durch die Potentialanalyse erarbeitet, wie das Unternehmen seinen Markt und seine Unternehmensumwelt gestaltet. Hier spricht man im Wesentlichen über vier Aufgabenfelder bzw. Erfolgspotentiale:

Kundenbeziehungen,

Lieferantenbeziehungen,

Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit,

Position im Wettbewerb.

Kundenzufriedenheit

Grundsätzlich achtet ein Käufer darauf, dass ein möglichst breiter Kundenstamm besteht und keine Abhängigkeiten von eventuell wenigen oder gar nur einem Großkunden vorhanden sind. Wir empfehlen auch ein besonderes Augenmerk auf das Thema Stammkundengeschäft zu legen. Hier zeigt sich, ob die Kundenzufriedenheit nicht nur gemessen wird, sondern auch entsprechende Maßnahmen daraus abgeleitet werden. Stammkunden zeigen, ob die Firma kontinuierlich die Kundenerwartungen übererfüllt, besondere Kunden auch eine besondere Wertschätzung erfahren und die Geschäftsbeziehungen damit auch über einen Generationswechsel hinaus bestand haben kann.

Lieferanten

Weitere wichtige Aspekte im Rahmen der Potentialanalyse sind die Auswahl und die entsprechenden Beziehungen zu Lieferanten. Oft deutet eine hohe Anzahl an Lieferanten auf Negativfaktoren, wie eine fehlende Programm- und Herstellerstrategie oder auch mangelnde Liquidität hin. Die Konzentration auf wenige innovative und leistungsstarke Lieferanten sichert nicht nur den Vorsprung bei Techniken, Verfahren und Methoden. Auch die eigene Kompetenz im Umgang mit Kunden wird durch engere Lieferantenbeziehungen gestärkt. Trotzdem achtet ein Unternehmenskäufer auch hier darauf, dass keine einseitigen Abhängigkeiten bestehen und auch größere Lieferanten ausgetauscht werden können.

Außendarstellung

Eng mit dem Themenkreis der Kunden- und Lieferantenbeziehung zusammen steht die Beschäftigung mit Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit. Für die Mehrzahl der Fachhandwerksunternehmen ist die eigene Webseite längst eine Selbstverständlichkeit und eine erste Visitenkarte für Lieferanten, Kunden und potentielle neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine schlecht gestaltete Homepage stellt oft einen erheblichen Nachteil dar, während gutes Design schon fast selbstverständlich ist.

Die Außendarstellung und der Ruf in der öffentlichen Meinung sind bei einem meist regional agierenden Handwerksunternehmen von hoher Bedeutung. Zukunftsorientierte Unternehmen beschäftigen sich nicht nur mit dem guten Design der Webseite, sondern geben ihrer Seite einen Zusatznutzen, mit aktuellen Informationen, Links zu interessanten Geschäftspartnern und machen sie dadurch attraktiv. Auch die professionelle Präsenz in sozialen Netzwerken und das Begreifen der Chancen im Web 2.0 sind Indikatoren für eine hohe Zukunftsorientierung im Unternehmen. Weitere Analysefaktoren sind auch der Zustand des Fuhrparks, die Gestaltung der Geschäftsräume und das äußere Erscheinungsbild der Mitarbeiter.

Empfehlenswert ist zudem die Überprüfung, ob sich der Inhaber oder leitende Mitarbeiter in regionalen Gremien engagiert, ob Verbindungen zu Politikern oder anderen re­gio­nalen Machern bestehen. Hierbei ist nicht nur zu beachten, wie derartige Beziehungen und Verbindungen bei einer Übernahme erhalten bleiben. Insbesondere Unternehmenskäufer aus dem Wettbewerbsumfeld prüfen hier, wie gut bestehende Verbindungen in geschäftliche Netzwerke in die eigene bestehende Organisation integriert werden können und welche zusätzlichen positiven (Ergebnis steigernden) Synergieeffekte daraus zu generieren sind.

Folgerichtig interessiert sich ein Käufer nach Sichtung der beschrieben Faktoren und Potentiale dafür, wie das Unternehmen für das Marktgeschehen gerüstet ist. Hierfür ist es auch notwendig, sich mit den wesentlichen Mitbewerbern auseinanderzusetzen. Zu einer gut vorbereiteten Unternehmensdarstellung gehört eine Auflistung der entsprechenden Unternehmen. Um die Transparenz für das (regionale) Marktgeschehen zu erhöhen, empfiehlt es sich eine Stärken-/Schwächenanalyse in Bezug auf den stärksten Wettbewerber im Rahmen der Unternehmensanalyse zu erstellen.


Ertragswertmethode

Der Unternehmenswert ist bei der Ertragswertmethode als zukünftig zu erwartender Geschäftserfolg beschrieben.

  Vereinfacht dargestellt lautet die Berechnungsformel:
  Unternehmenswert  = Nachhaltiger Gewinn x 100/Kapitalzinsfluss in Prozent

Die Betriebsergebnisse des Unternehmens der letzten drei Jahre werden um alle außerordentlichen Erträge und Aufwendungen bereinigt, also um alles, was nichts mit dem normalen Betriebsgeschehen zu tun hat.
Der Durchschnitt dieser bereinigten Betriebsergebnisse wird errechnet. Dieses Ergebnis wird auch als das „nachhaltig erzielbare Betriebsergebnis“ bei Weiterführung des Unternehmens bezeichnet.
Im Regelfall werden auch Finanzplanungen für die nächsten Jahre – die Jahre nach einer Übernahme – erarbeitet und mit in die Berechnungsgrundlagen einbezogen. Sehr vereinfacht dargestellt, wird das letztlich ermittelte, durchschnittliche Betriebsergebnis dann auf den heutigen Tag abgezinst. Der Zinssatz orientiert sich dabei am langfristigen Zins von z.B. Bundesobligationen zzgl. eines Zinsaufschlags zur Abgeltung des (deutlich höheren) Unternehmerrisikos. Üblich sind heute wegen dieses höheren Risikos Zinssätze zwischen 12 bis 15 %, zum Teil auch 18 bis 20 %.


Fazit

Vielleicht ist es im ersten Moment nicht einleuchtend, warum ein Unternehmensverkäufer einen derartigen Aufwand bei seinem eigenen Unternehmen betreiben soll, zumal er selbst alle Details kennt. Entscheidend ist jedoch, dass dieser Aufwand lohnt. Ein Interessent erwartet Transparenz, Offenheit und nachhaltige Argumente, warum zukünftige Erfolge – an denen sich die Kaufpreisvorstellung orientiert – auch letztendlich eintreten. Eine gut durchgeführte Unternehmensbewertung, die Kennzahlen unternehmerischer Erfolgsfaktoren bestimmt und bewertet, ist in der Lage, die realistische Kaufpreisvorstellung entsprechend zu untermauern. Trotzdem weichen der auf diese Weise ermittelte Unternehmenswert und der schlussendlich vereinbarte Verkaufspreis voneinander ab, denn wie bei allen Produkten definiert sich auch bei einem Unternehmen der Preis am Markt.

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