Die Energie der Sonne eingefroren

CO2-Kälteanlage mit Eisspeicher und Photovoltaik

Erneuerbare Energie kommt in der Regel mit der Begleiterscheinung, dass es Zeiten gibt, an denen mehr Energie zur Verfügung steht, als Bedarf ansteht, und dass es Zeiten gibt, an denen weniger oder gar keine Energie zur Verfügung steht, jedoch Bedarf vorhanden wäre. Die überschüssige Energie kann entweder ins Stromnetz eingespeist oder in einem Speicher gelagert werden, bis Bedarf für mehr Energie vorhanden ist.

Speicherlösungen gibt es verschiedene und jede hat ihre Vor- und Nachteile. Fällt ein Überschuss an Energie in einem Supermarkt an, drängt sich im Zusammenspiel mit der Kälteanlage der thermische Speicher besonders auf. Zusammen mit einer renommierten Supermarktkette und der Unterstützung vom schweizerischen Bundesamt für Energie wurde ein thermischer Speicher mit einer Kälteanlage in einem Supermarkt kombiniert. Die zu speichernde Energie kommt aus einer Photovoltaikanlage (PV-Anlage). Das Projekt soll zukunftsweisend für den Umgang mit Leistungsschwankungen durch erneuerbare Energien sein.

Ausgangslage

Im Oktober 2018 wurde in der Westschweiz durch die Supermarkt-Kette Coop eine neue Verkaufsstelle eröffnet. Bei dem Gebäude handelt es sich um einen Neubau, bei dem speziell auf erneuerbare Energien, umweltschonende Materialien und Energieeffizienz geachtet wurde. Der Supermarkt verfügt über eine Verkaufsfläche von 800 m2 und die Kühlleistung beträgt 55 kWth in der Pluskühlung und 16 kWth in der Minuskühlung. Die Wärme der Kälteanlage wird zur Warmwasser- und Raumbeheizung verwendet. Auf dem Dach und an der Fassade sind Photovoltaikelemente mit einer Peak-Leistung von 190 kWp installiert. Sie liefern jährlich 172.000 kWh elektrische Energie, wovon 114.500 kWh direkt im Gebäude genutzt werden können. Bei einem Bedarf von 250.000 kWh im Jahr, werden somit 45 % des elektrischen Energiebedarfs im Gebäude durch Photovoltaik gedeckt. Dies entspricht 66 % der jährlichen Leistung aus der PV-Anlage. Die restlichen 57.500 kWh werden ins Stromnetz eingespeist. Der Anteil, der nicht durch die PV-Anlage gedeckt werden kann, beispielsweise in der Nacht, wird aus dem Stromnetz bezogen.

Projektumfang

Coop prüfte verschiedene Möglichkeiten, die überschüssige elektrische Energie aus der PV-Anlage zu speichern, um diese bei niedriger PV-Leistung zu nutzen. Dadurch soll der Bezug aus dem Stromnetz und die Einspeisung in das Stromnetz minimiert werden. Geprüft wurden unter anderem Speichermöglichkeiten wie Batteriespeicher, Umwandlung in Wasserstoff oder thermische Energie. Da in einem Supermarkt mit der vorhandenen Kälteanlage bereits eine Umwandlung von elektrischer in thermische Energie erfolgt, und die Einbindung eines thermischen Speichers relativ einfach umsetzbar ist, wurde die Lösung eines thermischen Speichers weiterverfolgt. Üblich ist der Einsatz eines Latentspeichers, bei dem die Energie in den Phasenwechsel des Mediums einfließt bzw. durch diesen frei wird.

Ziel ist es, über das Jahr 35.000 kWel an überschüssiger elektrischer Energie aus der PV-Anlage für die Ladung des Latentspeichers zu nutzen und entsprechend die Einspeisung ins Stromnetz zu reduzieren. Wenn die PV-Anlage zu wenig elektrische Energie liefert, beispielsweise in der Nacht, soll der Latentspeicher genutzt werden, um den Energiebedarf und so den Bezug aus dem Stromnetz um 19.500 kWel im Jahr zu reduzieren. Dadurch wird der elektrische Energiebedarf der Verkaufsstelle neu mit 53 % durch die PV gedeckt. Dies entspricht 77 % der jährlichen Leistung aus der PV, welche direkt im Supermarkt genutzt wird.

Konzeptevaluation

Während der Konzeptevaluation (Wiedenmann et al. 2018, Zusammenspiel einer CO2-Kälteanlage mit Eisspeicher und Photovoltaik, DKV-Tagung 2018, Aachen, AA.III 19) wurden verschiedene Einbindungsvarianten von thermischen Speichern geprüft. Dabei wurde auf folgende Punkte besonderer Fokus gelegt:

Die Kälteanlage muss jederzeit ohne den thermischen Speicher betrieben werden können

Das Konzept soll technisch einfach und ohne grundlegende Änderung am Kältekreis umsetzbar sein

Wenn möglich soll Wasser ohne Zusatz als Medium im Speicher verwendet werden

Das Speicherkonzept soll unabhängig von der PV-Anlage eingesetzt werden können (Bspw. Nachtstrom oder Stromnetzstabilisierung)

Der Energieverbrauch der Kälteerzeugung für die Lebensmittel soll durch das Konzept gleich oder besser werden

Am Ende der Evaluation wurde eine Einbindung gewählt, bei der der Eisspeicher genutzt werden kann, um CO2, nach der Enthitzung durch den Gaskühler, vor dem Hochdruckregelventil, zusätzlich zu unterkühlen.

Umsetzung

Die Basis bildet eine herkömmliche trans­kritische CO2-Booster-Anlage. Aufgrund der geforderten 55 kWth Pluskühlleistung und 16 kWth Minuskühlleistung verfügt diese über vier Plusverdichter und drei Minusverdichter (Abb. 3). Das System wurde mit einem Eisspeicher, einem Zwischenkreis mit Pumpe für den Eisspeicher, zwei zusätzlichen Plus-Verdichtern, einem Wärmeübertrager nach dem Gaskühler und einem Verdampfer mit Einspritzung direkt ab Hochdruck umgesetzt (Abb. 3, in grün). Die Eisspeicherverdichter wurden an die Saugleitung der Plusverdichter gehängt.

Regelstrategie

Ziel des Eisspeichers ist es, den Leistungsüberschuss oder das Leistungsdefizit der Photovoltaik gegen 0 kWel zu regeln. Dazu wird der Leistungsüberschuss bzw. das Leistungsdefizit als Stellgröße für die Regelung hinzugezogen.

Regelung Entladebetrieb

Beim Entladebetrieb wird der Speicher genutzt, um das CO2 hochdruckseitig, nach dem Gaskühler, zusätzlich zu unterkühlen. Über das Dreiwegeventil wird ein Teil des Massenstroms durch den Wärmeübertrager (Unterkühlung durch Eisspeicher) geführt und eine Temperatur vor dem Hochdruckventil von +10 °C geregelt. Der Unterkühler erlaubt eine maximale Unterkühlungsleistung von 35 kWth. Durch die Unterkühlung wird der Anteil an Flashgas im Mitteldrucksammler reduziert und somit werden die Plusverdichter entlastet. Die Entlastung reduziert die elektrische Leistungsaufnahme der Plusverdichter und somit das Leistungsdefizit. Das Dreiwegeventil nach dem Gaskühler erhöht den Öffnungsgrad solange, bis entweder das Leistungsdefizit der Photovoltaik 0 kWel beträgt oder die Temperatur vor dem Hochdruckventil +10 °C beträgt. Entsteht während des Entladebetriebs ein Leistungsüberschuss, beginnt das Dreiwegeventil zu schließen und reduziert so die Unterkühlerleistung. Der Anteil an Flashgas und mit ihm die Leistungsaufnahme der Verdichter steigt wieder und der Leistungsüberschuss durch die PV- Anlage sinkt.

Regelung Ladebetrieb

Beim Ladebetrieb wird der Speicher durch die Kälteanlage über den Eisspeicherverdampfer gekühlt, sodass sich im Speicher Eis bilden kann. Dazu wird CO2 direkt ab Hochdruck in den Eisspeicherverdampfer eingespritzt. Dieser ist auf 65 kWth Leistung dimensioniert und es wird eine nutzbare Überhitzung von 7 K geregelt. Der Öffnungsgrad des Einspritzventils wird über den Leistungsüberschuss der PV-Anlage geregelt. Ziel der Regelung ist es, über das Einspritzventil einen Leistungsüberschuss von 0 kWel zu regeln. Ist der Leistungsüberschuss größer als 0 kWel, öffnet das Einspritzventil und erhöht den Massenstrom zu den Plusverdichtern. Dadurch wird die elektrische Leistungsaufnahme der Plusverdichter erhöht und der Leistungsüberschuss nimmt ab. Das Einspritzventil erhöht den Öffnungsgrad solange, bis der Leistungsüberschuss 0 kWel beträgt. Zusätzlich wird eine Überhitzung von 7 K geregelt, um Flüssigkeit auf den Verdichtern zu vermeiden. Entsteht während des Ladebetriebs ein Leistungsdefizit, beginnt das Einspritzventil den Öffnungsgrad zu schließen, bis das Defizit 0 kWel beträgt. Bei Erreichen von einem Füllstand von 100 % des Eisspeichers wird der Ladebetrieb gesperrt, bis der Füllstand wieder unter einen Wert von 80 % fällt.

Inbetriebnahme

Die erste Inbetriebnahme fand im Februar 2019 statt. Dabei wurde unter anderem der Eisspeicher in 2,5 h von 32 % auf 85 % geladen (Abb. 5). Nach der Inbetriebnahme mussten noch verschiedene Regelwerte, beispielsweise für die Regelung der Pumpen im Wasserglykol-Kreis, angepasst werden.

Auswertung

Erste Daten für eine Auswertung wurden im Juni 2019 aufgezeichnet. Auswertungen vom Monat September zeigen, dass vom gesamten elektrischen Energiebedarf des Supermarktes 54 % durch die Photovoltaik gedeckt und 46 % aus dem Netz bezogen werden. Dies entspricht den erwarteten 53 % über das Jahr. 56 % der durch Photovoltaik produzierten Leistung werden direkt genutzt und 44 % ins Netz eingespeist. Dies ist weniger als prognostiziert, jedoch kann dies verschiedene Gründe haben. Eine Möglichkeit ist, dass die Photovoltaik mehr Leistung produziert hat als in den Simulationen angenommen. Für eine aussagekräftige Auswertung fehlen noch weitere Daten zum Betrieb ohne Eisspeicher und über einen längeren Zeitraum.

Betrieb im Sommer

Abbildung 6 zeigt den Eisspeicher über eine Woche Ende Juli. Die Regelung wird dabei wie beschrieben umgesetzt. Die Abbildung zeigt, dass mit dieser Regelung 20 % bis 30 % des Eisspeichers über Nacht für die Unterkühlung genutzt werden können.

Abbildung 7 zeigt, wie das CO2 bei Lade-Betrieb nach dem Gaskühler (rot) auf ca. +9 °C unterkühlt wird. Dadurch reduziert sich der Flashgasanteil im Mitteldrucksammler von etwa 45 % bei +35 °C Gaskühleraustritt auf unter 10 % bei +9 °C Gaskühleraustritt. Über Nacht waren es bei +20 °C Gaskühleraustritt noch etwas über 20 % Flashgasanteil ohne Unterkühlung.

Herausforderungen

Aufgrund von Verzögerungen im Bau funktionierte der Betrieb zuerst nur mit manueller Zuschaltung. Brauchbare Betriebsdaten konnten nach Optimierungsarbeiten an der Regelung erst verspätet aufgezeichnet werden. Während des Betriebs zeigte sich, dass die hohe Gaskühlerleistung einen starken Einfluss auf das Betriebsverhalten hat. Da der Gaskühler für ca. 140 kW Gesamtkühlleistung dimensioniert ist, der Eisspeicher jedoch mit 70 kW nicht immer in Betrieb ist, ist dieser für einen großen Teil der Betriebszeit stark überdimensioniert.

Ausblick

Aufgrund der Verzögerungen, welche sich während des Baus und der Inbetriebnahme ergaben, konnte nur ein Teil der geplanten Auswertungen gemacht werden. Unter anderem kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussage zur Erhöhung der Eigennutzung der Photovoltaikenergie gemacht werden. Im kommenden Jahr wird der Betrieb der Kälteanlage mit Eisspeicher weiter untersucht und bei Bedarf optimiert werden. Weiter wird mit genügend Daten zur Auswertung eine abschließende Beurteilung der Maximierung der Photovoltaik-Eigennutzung gemacht werden.

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