Freie Kühlung mit Pumpenzirkulation

Verwendung des Kältemittels CO2

Das Forschungsthema zur Freien Kühlung wurde am ILK Dresden im Zeitraum 2014/2015 aufgrund eines „Anstoßes“ aus der Industrie bearbeitet. Dabei sollte ein Verfahren der Indirekten Freien Kühlung entwickelt werden, das ohne Kälteträger-Zwischenkreislauf arbeitet, sondern durch Nutzung der Umwälzung des ohnehin vorhandenen Kältemittels im Kältekreislauf – analog dem Heat-Pipe-Prinzip. Dieses Forschungsvorhaben „Freie Kühlung durch Kältemittelzirkulation“wurde vom BMWi, Projektträger EuroNorm GmbH im Rahmen des Programms INNO-KOM-Ost gefördert (Förderkennzeichen: MF130061).

Meteorologische Rahmenbedingungen für die Freie Kühlung

Unter Freier Kühlung wird die Art der Kühlung verstanden, die ohne Betrieb einer Kältemaschine unter Ausnutzung der kalten Außenluft realisiert wird. Diese Art der Kühlung ist eine sehr effiziente Möglichkeit Energie zu sparen. Voraussetzung dafür sind entsprechend niedrige Außenlufttemperaturen (tLuft< tNutz), so dass der Kältemaschinenbetrieb durch die Freie Kühlung  sinnvoll verdrängt werden kann. Günstige Bedingungen für die Anwendung von Freier Kühlung bieten Bereiche mit ganzjährigem Kühlbedarf, wie z.B. Kühlung von IT-Ausrüstung, technologischen bzw. industriellen Prozessen. Bei ausgeführten Anlagen aus diesen Bereichen konnten durch Freie Kühlung entsprechend Literaturhinweisen abhängig vom erforderlichen Temperaturniveau tNutz Energieeinsparungen von mehr als 50 % erreicht werden. 

In Deutschland lag die statistische Jahresdurchschnittstemperatur in der Vergangenheit bei etwa 9 °C. Und wie aus Abbildung 1 hervorgeht, waren die Temperaturen zu 40 % niedriger als die oft als Frei-Kühl-Grenztemperatur angesetzten 5 °C.  Aus der Abbildung 1 wird auch erkennbar, dass mit jedem Kelvin Verschiebung dieser Grenztemperatur nach oben der Frei-Kühl-Anteil eines Jahres um ca. 300 bis 400 Stunden erhöht werden kann.

Aus Abbildung 2 wird deutlich, dass in einem interessanten Temperaturbereich von etwa 5 bis 20 °C eine Erhöhung der Nutztemperatur für die Freie Kühlung um 5 K eine Steigerung des Frei-Kühl-Anteils um etwa 20 % bedeutet.

Arten der Freien Kühlung

Direkte Freie Kühlung durch Zufuhr kalter Außenluft (im einfachsten Fall: Fensteröffnung) ist für innenliegende, fensterlose Technikräume mit hohen Wärmelasten oft nicht praktikabel. Auch ungewollte Staub- und Feuchtelasten sprechen dagegen; bzw. ungewollt trockene Luft im Winter kann z.B. für IT-Kühlung problematisch sein.

Indirekte Freie Kühlung mit Kälteträger-Zwischenkreislauf (Abbildung 3) ist Stand der Technik und oft auch optional oder standardmäßig Zubehör für handelsübliche Kältesätze. Nachteilig sind die durch den Zwischenkreis bedingte Temperaturdifferenz zwischen tLuft und tNutz und der höhere Anlagenaufwand. Außerdem verursacht der Zusatz-Wärmeübertrager eine erhöhte Lüfter-Leistung.

Wenn bei Nutzung der Freien Kühlung auf den Kälteträger-Zwischenkreislauf verzichtet wird, kann die Temperaturdifferenz zwischen tLuft und tNutz vermindert und – wie oben erläutert – eine entsprechende Steigerung des Frei-Kühl-Anteils erreicht werden. Dafür wurde das im Folgenden beschriebene Verfahren der Indirekten Freien Kühlung durch Kältemittel-Zirkulation entwickelt (Abbildung 4).

Dabei wird die Freie Kühlung über die bestehenden Wärmeübertrager des Kältekreislaufes, d.h. Verdampfer und Verflüssiger, realisiert. Die Leistung der Freien Kühlung hängt im Wesentlichen von den Wärmeübertrager-Flächen ab und diese sind für Volllast im Kältemaschinenbetrieb ausgelegt. Wenn eine entsprechend große Kältemittel-Zirkulation realisiert werden kann, ist deshalb davon auszugehen, dass akzeptable Freie Kühlleistungen erreichbar sind.

Auswahl des Kältemittels für die Indirekte Freie Kühlung durch Kältemittel-Zirkulation

Für das hier beschriebene Verfahren wurde CO2 als Kältemittel verwendet. Einerseits wegen  günstiger ökologischer Eigenschaften, aber auch die physikalischen Eigenschaften sprechen dafür. Die hohe Drucklage von CO2 ist allgemein bekannt, daraus resultieren aber auch große Gasdichten (Abbildung 5) und vergleichsweise geringe Verdichter-Fördervolumenströme.

Vorteilhaft sind die relativ geringe Viskosität der CO2-Flüssigphase (Abbildung 5)  und die darin begründeten kleinen Reibungsdruckverluste – vor allem im Frei-Kühl-Betrieb.

Vergleichsweise hohe Werte für die spezifische Wärmekapazität von Gas- und Flüssigphase sowie ein großer Wärmeleitkoeffizient der Gasphase begünstigen den Wärmeübergang bei CO2-Prozessen. Exemplarisch wird dies in Abbildung 6 deutlich, wo vergleichsweise für verschiedene Kältemittel der Wärmeübergang beim Filmsieden gezeigt wird.

Auswahl des Prinzips für die Kältemittel-Zirkulation

Grundsätzlich bestehen folgende Möglichkeiten für die Kältemittel-Zirkulation:

1. Thermosyphon-Prinzip (Schwerkraft-Zirkulation):

Durch Temperatur- und Höhendifferenzen zwischen Verdampfer und Verflüssiger entsteht ein thermodynamischer Umtriebsdruck (Abbildung 7). Dieser Druck, der als Antrieb für die Zirkulation fungiert, ist bei Verwendung des Kältemittels CO2 nur sehr gering (Diagramm Abbildung 7). Wenn praktikable Temperaturdifferenzen und Anlagenbauhöhen berücksichtigt werden sollen, würde sich nur geringe Kältemittel-Zirkulation mit langsamen Strömungsgeschwindigkeiten einstellen. Geringe Kühlleistungen wären die Folge.

2. Pumpen-Zirkulation:

Aus oben genannten Gründen wurde die Schwerkraft-Zirkulation für dieses Projekt als untauglich verworfen und der Fokus auf Pumpen-Zirkulation gelegt. Durch entsprechende Auslegung der Pumpe ist der Kältemittel-Massenstrom einstellbar und die erforderliche Kühlleistung erreichbar. Grundsätzlich sind Kältemittel-Pumpen auf dem Markt verfügbar. Die Beschaffung einer geeigneten Pumpe, die einen vorgegebenen wirtschaftlichen Kostenrahmen nicht sprengen soll, kann dabei jedoch nicht ganz unproblematisch sein. Insbesondere dann, wenn eine Pumpe für spezielle Anforderungen benötigt wird – wie in diesem Projekt für das Kältemittel CO2 mit entsprechend hohen Betriebsdrücken.

Beschreibung des Funktionsmusters

Für das hier zu entwickelnde Frei-Kühl-Verfahren wurde ein Funktionsmuster konzipiert und hergestellt (Abbildung 8). Dieses besteht im Wesentlichen aus üblichen Komponenten eines einfachen Verdichter-Kältekreislaufs, der als solcher auch seine normale Funktion nachgewiesen hat.

Folgende Bauteile wurden für den herkömmlichen Kältekreislauf verwendet:

Zweistufiger Rollkolben-Verdichter für CO2 (Fa. Sanyo)

Verflüssiger: luftbeaufschlagter Lamellenrohr-Wärmeübertrager (Fa. Thermofin)

Expansionseinrichtung: Manuelles Regelventil AVR (Fa. GEA AWP)

Verdampfer: wasserbeaufschlagter Platten-Wärmeübertrager (Fa. Alfa Laval)

Für die Funktionserweiterung zur Freien Kühlung wurden zusätzlich in den Kreislauf installiert:

Hermetische Kältemittel-Pumpe HRP3232, PS65bar (Fa. Witt)

Vertikales Standrohr 3,20m hoch, DN65, 12,5 Liter Innenvolumen

als Flüssigkeitsvorlage für die Pumpe sowie 

als Sammler zum Ausgleich der unterschiedlich erforderlichen Kältemittel-Füllmengen für die beiden Betriebsarten Verdichter- und Frei-Kühl-Kälteerzeugung 

Umgehungs-Rohrleitung für den Verdichter (bei Frei-Kühl-Betrieb)

Umgehungs-Rohrleitung für die Kältemittel-Pumpe (bei Verdichter-Betrieb)

Um beim Pumpenbetrieb einen Mindestvolumenstrom zu gewährleisten, ist über die Pumpe herstellerseitig ohnehin eine solche Leitung mit Blende vorgesehen. 

Außerdem sind in den Kreisläufen der Anlage Messeinrichtungen vorhanden für Druck-, Temperatur- und Durchfluss-Messungen.

Funktionsnachweis und Messungen am Funktionsmuster

Mit dem Funktionsmuster wurde nachgewiesen, dass mit beiden Betriebsarten (Verdichter-Betrieb und Frei-Kühl-Betrieb) Kühlenergie bereitgestellt werden kann. Die Umschaltung zwischen den beiden Betriebsarten erfolgt problemlos, wie mehrfach erfolgreich getestet wurde.

In Abbildung 9 ist der Prozessverlauf des Frei-Kühl-Betriebes im p,h-Diagramm-Ausschnitt dargestellt. Der hier gezeigte typische Prozess hatte folgenden konkreten Verlauf:

Das im Verdampfer durch die Kühllast erwärmte Kältemittel CO2 tritt mit 19,4 °C in den Verflüssiger ein und wird dort mittels kalter Außenluft (Außentemperatur 10 °C) vollständig kondensiert und möglichst weit unterkühlt (16,6 °C). Danach fließt das flüssige, unterkühlte Kältemittel über das Standrohr zur Kältemittel-Pumpe, die bei dem hier dargestellten Prozess den Druck von ca. 56 auf 57,8 bar erhöht. Der Kältemittelstrom wird anschließend mit der Expansionseinrichtung wieder um ca. 1,6 bar gedrosselt und dem Verdampfer mit einer Temperatur von 18,5 °C zugeführt. Der Verdampfer wird mit beheiztem Wasser von 24,5 °C beaufschlagt, so dass das Kältemittel CO2 verdampft. Das warme Wasser, das als Simulation für die Kühllast dient, kühlt sich im Platten-Verdampfer dabei auf 19,5 °C ab. Bei dem hier gezeigten Messdurchgang wird im Verdampfer für das Kältemittel ein Dampfanteil von etwa 50 % bei einer Temperatur von 19,4 °C erreicht. Nach dem Verdampfer strömt das Kältemittel wieder zum Verflüssiger usw.

Es wurde eine Vielzahl von Messungen vorgenommen. Der Frei-Kühl-Betrieb war Schwerpunkt der Untersuchungen. Diese Messungen wurden bei Außentemperaturen im Bereich von 10 bis 17 °C durchgeführt. Die Funktion der Anlage konnte problemlos nachgewiesen werden. Es wurden jeweils entsprechende Kühlleistungen erzielt, wie Abbildung 10 zeigt. Selbst bei unzureichender Unterkühlung bzw. bei einem Zweiphasenzustand am Pumpeneintritt funktionierte der Kreislauf. Diese ungewollten Zustände treten auf:

bei zu geringer Kältemittel-Füllmenge oder

bei ungenügender Drosselung des Kältemittelstromes.

Letzteres hat zur Folge, dass der CO2-Massenstrom zu groß für die Auslegungsleistung des Verflüssigers ist und somit keine vollständige Verflüssigung und Unterkühlung des Kältemittels erreicht wird.

Trotzdem konnten auch bei diesen ungewollten Betriebszuständen Kühlleistungen wasserseitig am Verdampfer gemessen werden. Jedoch war die messtechnische Erfassung der Zustandspunkte im zweiphasigen Kältemittelstrom problematisch, insbesondere war die Durchflussmessung mit dem Coriolis-Massenstrom-Messgerät für die CO2-Zweiphasenströmung nicht möglich.

Die „normale“ Kälteerzeugung mittels Verdichter war nicht Schwerpunkt der Untersuchungen, aber auch dieser Betriebsmodus wurde erfolgreich getestet, ebenso die Umschaltung zwischen Frei-Kühl-Betrieb und Verdichter-Betrieb.↓

Zusammenfassung

Ein Frei-Kühl-Verfahren mit Kältemittel-Zirkulation wurde entwickelt. Gegenüber dem Stand der Technik mit Kälteträger-Zwischenkreis ist eine Erhöhung des jährlichen Frei-Kühl-Anteils um ca. 20 % möglich. Dies resultiert im Wesentlichen aus dem Verzicht auf den Kälteträger-Zwischenkreis. Für das hier entwickelte Verfahren wird der „normale“ Kältemaschinen-Kreislauf im Wesentlichen um ein vertikales Standrohr/Sammler und die Kältemittel-Pumpe erweitert. Als Kältemittel wurde aus ökologischen, aber auch kältetechnischen Gründen CO2 verwendet. Es wurde ein Funktionsmuster hergestellt und damit wurden entsprechende messtechnische Untersuchungen durchgeführt. Die Funktion dieses Frei-Kühl-Verfahrens wurde nachgewiesen, auch die Umschaltung zwischen Verdichter-Betrieb und Frei-Kühl-Betrieb wurde erfolgreich erprobt. Es wurde ein Vielzahl von Messungen durchgeführt. Der praktische Einsatz des Verfahrens wird vor allem bei ganzjährig mit Volllast  betriebenen Direktverdampfersystemen, z.B. Klimatisierung von elektrischen Schaltanlagen, IT-/Serverräumen, Rechenzentren u.ä. gesehen.

Der Inhalt des Fachbeitrags wurde in gering veränderter Form zur Deutschen Kälte- und Klimatagung des DKV vorgetragen, die vom 18. bis 20.11.2015 in Dresden stattfand.

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