ÜLU - die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung

Drittes Standbein der beruflichen Erstausbildung

Das Akronym ÜLU steht für die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung. Es sind Meister im Kälteanlagenbauer-Handwerk, die als „Fachlehrer“ dieser wichtigen Säule der Berufsausbildung den so wichtigen Praxisbezug einhauchen. So die Meinung der Auszubildenden, die den Weg zum Mechatroniker für Kältetechnik eingeschlagen haben. Wie wichtig dieser Blockunterricht ist, wird spätestens kurz vor den Prüfungen bewusst.

Ganz egal, in welchem Bereich der Kälte- und Klimatechnik der Ausbildungsbetrieb beheimatet ist, ob Großkälteanlagen mit Ammoniak oder CO2 installiert werden, ob es um Sonderanwendungen für die Medizin- oder Tieftemperaturtechnik geht, Industriekunden, Rechenzentrumsbetreiber oder auch Privatpersonen zum Kundenkreis gehören – zum Bestehen der Prüfungen gelten für jeden angehenden Mechatroniker für Kältetechnik die gleichen Prüfungsvoraussetzungen. Was die theoretische Ausbildung anbelangt, wird an den Berufsschulen das Fach- und Allgemeinwissen bundesweit auf annähernd gleichem Niveau geschult. Anders sieht es hingegen bei der täglichen Praxis durch die unterschiedlichen Spezialisierungen der Kälte-Klima-Fachbetriebe aus. Nichts desto trotz: Jeder Prüfling muss für sein „Reifezeugnis“ nach dreieinhalb Lehrjahren die gleichen Gesellenprüfungsaufgaben meistern, damit ein fairer Vergleich erbrachter Leistungen möglich ist. An diesem Punkt kommt die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung, kurz ÜLU, mit ins Spiel. Sie soll gewährleisten, dass Unterschiede in der praktischen Berufsausbildung angeglichen werden.

Prüfung legt Unterschiede schonungslos offen

Vor allem während der Prüfungsvorbereitungen wird so manchem Auszubildenden bewusst, dass dieser Unterricht zum entscheidenden Faktor über „bestanden oder nicht bestanden“ werden kann.

„Unsere duale Berufsausbildung ist eigentlich ein triales Ausbildungssystem, mit dem dritten Standbein der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung.“ Jörg Peters kennt die Facetten der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung aus dem Effeff, arbeitete selbst 25 Jahre als Fachlehrer, baute die Bundesfachschule sowie das Lehrprogramm in Harztor/Niedersachswerfen auf und führt seit 2014 die Geschäfte der Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik an den drei Standorten Maintal, Harztor und Leonberg. „In unserem weltweit anerkannten Berufsausbildungssystem bilden Berufsschule, Ausbildungsbetrieb und ÜLU die drei Säulen. Nach dreieinhalb Jahren Lehrzeit haben Absolventen mit bestandener Prüfung damit beste Voraussetzungen für einen sehr guten Start in ihr Berufsleben.“ Jörg Peters weiß, wie wichtig der Baustein ÜLU dafür ist. „Während der sechs Kurse (GKK, KK1 bis KK5) bekommen die Auszubildenden bei uns ergänzende praktische Inhalte vermittelt, um z. B. auch Unterschiede während der betrieblichen Ausbildung auszugleichen. Am Ende sollen alle auf einem möglichst gleichen Praxisniveau stehen. So war und ist nach wie vor der Ansatz, umfassend die praktischen Grundfertigkeiten einer handwerklichen Ausbildung zu vermitteln.“

Aller Anfang … leichtgemacht

Wenn die Auszubildenden erstmals an die Bundesfachschule kommen, wissen die Jugendlichen noch nicht, was sie erwartet, sind teils sogar etwas skeptisch. Hinzu kommt, dass manche erstmals auf Zeit in fremder Umgebung leben und im schuleigenen Internat übernachten. „Die Schüler erleben, was es bedeutet, den Dreisprung Praxis, Berufsschule und ÜLU hinzulegen“, weiß Fachlehrer Robert Heß aus eigener Erfahrung. „Manche sind anfangs noch unsicher, was jetzt auf sie zukommt. Das dauert aber maximal zwei Tage. Sobald das Eis gebrochen ist, sind alle bis zum Ende der ÜLU-Wochen stets motiviert, freuen sich sogar, wieder zu uns zu kommen.“

Um den Start in die Berufsausbildung etwas zu erleichtern, bietet die Bundesfachschule ab 2019 Einstiegswochen in die kältetechnische Praxis an. Dafür gibt es in Hessen und Baden-Württemberg sowie Thüringen freiwillige Lehrgänge über zwei Wochen, die vor Beginn der betrieblichen Ausbildung schon einmal einen Bezug zu Technik und Werkzeug aufbauen. Denn man darf nicht vergessen: Es geht um Schulabgänger, gänzlich ohne Berufserfahrungen, die maximal ein Praktikum bei einem Unternehmen erlebten, im besten Fall bei einem Kälte-Klima-Fachbetrieb. „Biegen, Bördeln, Löten, Aufbau einer Splitklimaanlagen und notwendige Werkzeugkunde, das reicht bereits aus, damit die Jugendlichen schon ein Grundverständnis zu Beginn der Ausbildung aufbauen. Und wenn sie im Betrieb dann gleich auf einem Fahrzeug mitfahren, können sie bald zur Hand gehen. Das motiviert natürlich sehr“, ist Robert Heß überzeugt.

So läuft die ÜLU

Am Anfang jedes ÜLU-Blocks steht immer eine kurze theoretische Einweisung. Was dann folgt, ist viel Praxis in den Werkstätten, wofür die Auszubildenden schnell zu begeistern sind. Tatsächlich gibt es mit dem KK2 nur eine Einheit, in der die Theorie überwiegt, wenn es um Themen wie Verordnungen, Kältemittel oder Sicherheitsunterweisungen geht. Das ist notwendig und sinnvoll, geht es doch um Ökologie in der Kälte- und Klimatechnik. Der KK2 legt dafür schon einmal die Grundlagen. Die anderen Blöcke der ÜLU sind stark praxisorientiert und liefern umfassendes Anwendungswissen für Kälte- und Klimaanlagen.

Abstimmung mit der Berufsschule

Die ÜLU-Lehrgänge sind über das gesamte Lehrjahr verteilt, liegen manchmal am Anfang, manchmal am Ende. So ist die Einführung in einen Block dann sehr einfach, wenn Themen in der Berufsschule bereits besprochen wurden. Es kann aber auch umgekehrt laufen. Dann braucht es etwas länger. Dafür haben die Schüler das Praktische der anschließenden Theorie bereits voraus. Vielen Auszubildenden hilft das für die Veranschaulichung eines Themas sogar. Jörg Peters erläutert die Zusammenarbeit mit den Berufsschulen: „Mit Gelnhausen, Leonberg und Harztor versuchen wir, den theoretischen Stoff der 17 Lernfelder so gut wie möglich auf die ÜLU abzustimmen. Trotzdem ist die eine oder andere Wiederholung eines Themas nicht ganz auszuschließen. In unserer Schule in Harztor sind wir etwas flexibler, da dort ÜLU und Berufsschule an einem Ort stattfinden. So können wir der Theorie stets die Umsetzung in der Praxis folgen lassen. Aber auch in den anderen Schulen gelingt es in der Regel gut.“ Teilweise kommt es vor, dass bei sehr wichtigen Themen auch bewusst Dopplungen gefahren werden, damit es auch wirklich sitzt. Oder das Gegenteil ist der Fall, wenn etwas weniger prüfungsrelevant, dafür aber praxisrelevant ist, wie Jörg Peters weiß. „Ein Beispiel dafür ist das Lernfeld 2, wo es um Lote und Flussmittel geht. Diese Zeit sparen wir der Berufsschule für Wichtigeres ein, besprechen und praktizieren dieses Thema dafür während der ÜLU im GKK umfassend. So ergibt sich eine sinnvolle Kombination für die Auszubildenden.“

Pädagoge und Psychologe

In Hessen, Thüringen und Baden-Württemberg betreut die Landesinnung derzeit 1356 Auszubildende. Bei dieser Anzahl kann natürlich nicht jeder auf dem gleichen Stand sein. „Wir nehmen uns der unterschiedlichen Praxisanforderungen, aber auch den Problemstellungen an“, erläutert Robert Heß das gewachsene Anforderungsprofil eines Fachlehrers. Denn an der Berufschule geht es aus Sicht des Azubis auch um berufsfremdes Lernen, was mit dessen Tagesgeschäft im Betrieb auf den ersten Blick nicht viel zu tun hat. „Wir haben den Vorteil, jeden sofort da abholen zu können, wo das Interesse am größten ist, was ja auch ausschlaggebend für die Berufswahl war. Dafür arbeiten wir eng mit dem Berufsschulen zusammen, damit der Schüler irgendwann versteht, weshalb er auch Dinge lernen muss, die auf den ersten Blick nichts mit seiner Berufsentscheidung zu tun haben.“ Der Bundesfachschule helfen dabei die kleinen ÜLU-Gruppen mit maximal 16 Schülern. Das macht die pädagogische Arbeit meist etwas einfacher.

Nicht optimal, aber auch nicht zu ändern ist der Ausbildungsbeginn im Sommer. Kälte-Klima-Fachbetriebe haben dann in der Regel sehr viel zu tun. So kann es vorkommen, dass Auszubildende im Tagesgeschäft zunächst nur „mitlaufen“. Das ist ein Problem, denn wer ausbildet, muss im Betrieb dafür auch die Zeit einplanen. Und es gibt Vorzeigebetriebe, die sich darauf eingestellt haben, die wissen, dass der Lehrling eine Investition in die Zukunft ist. „Wir kennen größere Unternehmen, die eine eigene kleine Lehrwerkstatt haben und Teile des Stoffs der Berufsschule im Betrieb nochmals durcharbeiten. Das ist optimal. Aber die Regel ist der Drei- bis Fünf-Mann-Betrieb“, sagt Robert Heß. Und dort müssen Aufträge erledigt werden, egal, was der Lehrplan sagt oder welcher ÜLU-Kurs ansteht. „Dann braucht es eine enorme Eigenmotivation. Manche der Jugendlichen sind aber mit ca. 16 Jahren noch überfordert. Kommen die Auszubildenden dann an die Bundesfachschule, hat unsere Arbeit inzwischen auch sehr viel mit Erziehung zu tun. Mehr, als noch vor Jahren. Wir nehmen uns Zeit, auch abseits des Unterrichts, wenn aus dem Unterricht der Berufsschule vielleicht noch Fragen offen sind, etwas unklar ist. Und immer häufiger finden wir dann auch Problemstellungen heraus, die mit dem Unterricht oder den Lehrinhalten gar nichts zu tun haben. Eine neue Herausforderung, die in vielen Bereichen dem Wandel der Gesellschaft geschuldet ist.

Der Blick in die Werkstatt

Fragt man die Auszubildenden selbst, haben sie mit der ÜLU tatsächlich sehr viel Spaß. „Hier lerne ich an einem Tag sehr viel für meine praktische Aufgaben im Betrieb“, sagt ein junger Mann, der gerade zum KK3 in Maintal ist. Ein anderer meint, dass die Gruppe sehr gute Lehrer habe, die schließlich alle echte Praktiker seien und das schon können, was sie, die Auszubildenden, einmal können wollen. Das ist anders als in der Berufsschule, wo häufig fachfremder Stoff gelernt werden muss, was manchmal einfach weniger Spaß macht oder auch sehr kompliziert und theoretisch ist.

„Manche Schüler sind auch oft verwundert, wenn wir ihnen ein fachlich korrektes Vorgehen vermitteln“, beschreibt Werkstattlehrer Jürgen Harten Situationen des ÜLU-Alltags. „Draußen läuft das sowieso anders, bekomme ist dann oft zu hören. Nur sind es nicht selten Beispiele wie der korrekte Umgang mit einer Manometerbatterie, der im Alltag aber unsachgemäß geschieht. Wie mache ich es richtig, um kein Kältemittel zu verlieren? Da müssen wir dann auch Aufklärung betreiben, damit die tägliche Praxis im Sinne der Umwelt oder des Gesetzgebers vonstattengeht. Die Auszubildenden nehmen diese Erkenntnisse mit in die Betriebe, machen es selbst dann hoffentlich richtig und können ihr Wissen sogar weitergeben, sollte ihnen ein Fehlverhalten begegnen.“

Wie schon zuvor von Robert Heß beschrieben, erlebt Jürgen Harten meist sehr motivierte Schüler während seiner ÜLU-Blöcke. „Viele sind neugierig, manche auch überrascht, was noch alles zu lernen ist. Immer wieder kommen auch Fragen aus der Praxis, beispielsweise bei erlebten Störungen. Was war der Grund dafür, was war zu tun? Dann können wir mit den eigenen Erfahrungen oft Auskünfte geben und helfen, um für Verständnis zu sorgen. Außerdem tauschen sich die Schüler untereinander aus, vielleicht der Ammoniakexperte mit dem Splitklimaspezialisten. Am Ende profitieren alle davon.“

Die Resonanz der ÜLU und das Ergebnis der Lehreinheiten sind also sehr gut. Beispielhaft steht KK3, wo eine Kälteanlage mit Schaltschrank aufgebaut wird und Fehler gesucht werden. Das lernen anschließend während ihres Berufsalltags nur eine Handvoll angehende Mechatroniker für Kältetechnik wirklich kennen. Nur ein junger Mann des laufenden Kurses hatte vor Beginn seiner Lehre schon eine einjährige Elektroausbildung hinter sich gebracht. Darum war der Schaltschrank für ihn keine große Herausforderung. Anders bei den 13 anderen, die Schaltschränke bislang nur von außen kennen. Die meisten kommen aus Betrieben, die fast ausschließlich Klimatechnik installieren. Der eine oder andere arbeitet in der industriellen Kühlung. In diesen Betrieben gibt es für Elektro- oder Schaltschränke dann aber Spezialisten, die das übernehmen. So ist die ÜLU sehr gut geeignet, um es wenigstens einmal zu praktizieren, das Verständnis dafür zu entwickeln. „Insgesamt reichen uns die Wochen der ÜLU meist auch aus. Dann bekommen die Schüler so viel gezeigt, dass es danach Zeit braucht, das alles zu verarbeiten“, sagt Jürgen Harten. Am Ende ist klar: Die Auszubildenden kommen gerne nach Maintal, wegen des Internats, der guten Unterbringung, vor allem aber wegen der „überragenden“ Lehrer und weil eine echte Gruppendynamik entsteht. Das wird sofort klar, wenn man einmal Einblick in die überbetriebliche Lehrunterweisung bekommen hat und versteht, wie einmalig der Dreiklang Betrieb-Berufsschule-ÜLU wirklich ist.

Förderungen für Betriebe

Die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung verfolgt nach Angaben des Heinz-Piest-Instituts für Handwerkstechnik (HPI) vor allem folgende Ziele:

› Systematische Vertiefung der beruflichen Grund- und Fachbildung in produktionsunabhängigen Werkstätten

› Anpassung der Berufsausbildung an technologische, wirtschaftliche, ökologische und gesellschaftliche Entwicklungen

› Sicherung eines einheitlich hohen Ausbildungsniveaus unabhängig von der Ausbildungsfähigkeit oder Spezialisierung des einzelnen Handwerksbetriebs

In Zusammenarbeit mit den jeweiligen Zentralverbänden erarbeitet das HPI für alle Berufe des Handwerks die Inhalte und Dauer der ÜLU und ermittelt die zugehörigen durchschnittlichen Kosten. Die hieraus resultierenden Unterweisungspläne stellen die Grundlage zur Förderung durch das BMWi und die zuständigen Landesministerien dar. (www.hpi-hannover.de). Zur ÜLU gibt es für Ausbildungsbetriebe Zuschüsse und Fördermittel vom Bund und den Ländern. Hinzu kommen weitere Vergünstigungen für Mitglieder der Landesinnung Hessen-Thüringen/Baden-Württemberg an den eigenen Ausbildungsstandorten.

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