„Macht neugierig!“

Teil 2: Heute schon motiviert!?

Warum tun Führungskräfte tagtäglich das, was sie tun? Was treibt sie zu Höchstleistungen, was hindert sie an der Erledigung unangenehmer Aufgaben? Und wie verhält es sich mit Mitarbeitenden und Auszubildenden innerhalb eines Unternehmens: Sind ein pünktliches Gehalt, ein höherer Lohn als beim Nachbarbetrieb und ein Smartphone für die private Nutzung, oder sogar eine 4-Tage-Woche, die inzwischen vereinzelt Einzug auch bei Fachbetrieben findet, Motivation genug? Und wenn ja: warum haben doch so viele Unternehmen die Herausforderung, genug passendes Personal zu finden und auch zu halten?

Glaubt man den Texten auf zahlreichen Web-Präsenzen von Herstellern und installierenden Fachbetrieben innerhalb der Branche, kann die Herausforderung „Mitarbeiter-Motivation“ getrost als gelöst betrachtet werden. Kaum ein Text, der dem (potenziellen) Kunden und auch Bewerber nicht von einem „hochmotivierten Team“ oder zusätzlichen Arbeitgeberleistungen erzählt, die die Anstellung zu einem wahren Berufsparadies machen. Ein möglicher Grund: Mit dem Thema Motivation wird sich seit dem in den letzten Jahren immer anstrengender geführten Kampf um Fachkräfte schon länger auseinandergesetzt als mit anderen Teilaspekten erfolgreicher Unternehmensführung. Team-Events finden mindestens einmal im Jahr statt, womit nicht die Weihnachtsfeier gemeint ist. Es wird gerudert, geklettert, gekocht und manchmal auch wohin geflogen, für den, der es sich leisten kann und will. Die Spirale aufwändiger Belegschaftsfeste und immer mehr geldwerter Vorteile kommt jedoch an ihre Grenzen, wenn die Betrachtung des Individuums und dessen Bedürfnisse zu kurz kommt.

Motivation kommt von Motiv

Der deutsche Psychologe Heinz Heckhausen hat sich mit den Prozessen von Handlungsmotivation auseinandergesetzt. Er definiert Motive als

zeitlich, überdauernde, individuelle Wertungsdispositionen und hypothetische Konstrukte,

die aus dem Verhalten erschlossen werden können,

auf bestimmte Ziele gerichtet sind und

handlungsauslösend wirken.

Kurz: Motive (oder auch Bedürfnisse, Wünsche, Triebe, Bestreben, Drang) sind die Beweggründe menschlichen Handelns. Eine Auswahl an Motiven aus dem beruflichen Kontext sind zum Beispiel Verantwortung, Leistung, Geld, (soziale) Anerkennung, als auch Fairness, Kollegialität, Wohlbefinden und: Neugier! Wenn diese Motive grundsätzlich durch die Arbeit bedient werden und individuell in der Situation aktiv sind, steigert dies Motivation und Arbeitszufriedenheit bei den Mitarbeitenden.

Laut dem Wirtschaftspsychologen Dr. Florian Becker differenzieren sich Motive nach ihren Eigenschaften. Was ist damit gemeint? Zum einen können Motive angeboren oder erlernt sein. Hunger ist ein angeborenes Motiv, Angst vor offenen Stromkabeln eher ein erlerntes Motiv. Ebenso wirkt die Stärke eines Motives auf das gezeigte Verhalten. Je stärker ein Motiv ausgeprägt und bewusst ist, desto mehr wird das eigene Verhalten dadurch beeinflusst. Motive beinhalten zusätzlich eine zeitliche Komponente, sprich: es gibt Motive, die eher langfristig aktiv sind (zum Beispiel Streben nach Macht), oder nur kurzfristig (zum Beispiel Stillen von Durst).

Einigkeit herrscht sicher über das Ziel, den Motivationsgrad von sich selbst, als auch der Belegschaft kontinuierlich hoch und nachhaltig zu halten und dabei den Einsatz monetärer, als auch zeitlicher Ressourcen in einem unternehmerisch – als auch fiskalisch – vertretbaren Rahmen zu halten. Hierbei ist es hilfreich, auch die Bereiche „Selbst- bzw. Eigenmotivation“ und „Demotivation“ zu betrachten und sich nicht nur auf motivationssteigernde Maßnahmen zu fokussieren. Joachim Löw, ehemaliger DFB-Bundestrainer, hat es sehr plakativ ausgedrückt: „Was nützt eine Kuh, die beim Melken 10 Liter Milch gibt, jedoch danach den Eimer mit dem Schwanz umwirft?“

Motivation im Allgemeinen, als auch Selbst- und Eigenmotivation sowie Demotivation im Besonderen ist gemeinsam, dass sie sich aus individuellen Motiven speisen. Aus diesem Grund ist es lohnend, sich mit seinen eigenen Antrieben ebenso zu beschäftigen, wie mit denen seiner Mitarbeitenden – dies gilt sowohl für positive (gute Motivatoren), als auch negative und damit demotivierende (schlechte Motivatoren).

In der Praxis wird vor allem die Bedürfnispyramide von dem amerikanischen Psychologen Abraham Maslow herangezogen. Sie zählt zu den bekanntesten Vertretern sogenannter psychologischer Inhaltstheorien der Motivation. Maslow beschreibt Motivation als Erfüllen von Bedürfnissen. Er gibt diesen eine hierarchische Struktur und Bedürfnisklassen: zuerst müssen Bedürfnisse auf der untersten Ebene seiner Pyramide (Hunger, Durst, etc.) befriedigt werden, bevor die nächste Stufe erklommen werden kann.

Individualität macht den ­Unterschied!

Der Theorie von Maslow ist zu verdanken, dass Unternehmen dafür sensibilisiert wurden, Mitarbeitende nicht allein über Geld zu motivieren. Ebenso legt die Pyramide dar, dass unterschiedliche Motive hinter der Motivation zu einem bestimmten Verhalten stehen können.

Die psychologische Forschung im Bereich Motivation hat jedoch auch die Grenzen der Theorie von Maslow aufgezeigt. Hier sind vor allem zwei Aspekte kritisch hervorzuheben: Durch die Annahme, dass alle Menschen dieselben Motive haben, wird die Individualität des Menschen vernachlässigt. Aufgrund des abstrakten Niveaus der Theorie findet man wenig konkrete Antworten, zum Beispiel was genau motivierende Führung beinhaltet.

Im Unternehmenskontext könnte die Pyramide wie eine Art Checkliste oder Leitfaden nützen, um Angebote und Anreize für die Mitarbeitenden zu entwickeln, und für jede Stufe immer wieder kritisch zu hinterfragen: „Was bieten wir als Unternehmen unseren Mitarbeitenden an?“. Der deutsche Organisationspsychologe Lutz von Rosenstiel hat bereits 2009 hierzu einige Ideen entwickelt: ergonomisches Mobiliar, um physiologische Bedürfnisse zu befriedigen, Sicherheitsbedürfnisse durch langfristige Arbeitsverträge oder im Bedürfnisbereich der Selbstverwirklichung sei Freiraum bei der Arbeit und Möglichkeiten, mitzuentscheiden, genannt.

Die Zwei-Faktoren-Theorie von dem US-
amerikanischen Arbeitswissenschaftler ­Frederick Irving Herzberg löste die Grenzen der Bedürfnispyramide auf, indem er nicht die vorherrschende Frage beantwortet: „Welche Motive haben Menschen im All­gemeinen, und wie können wir damit Mitarbeiter motivieren?“, sondern „Welche konkreten Aspekte im Umfeld von Mitarbeitern zerstören Motivation und was fördert Motivation?“ Durch diesen Perspektivwechsel bekamen Unternehmen und Führungskräfte konkrete Aspekte, um Mitarbeitermotivation zu fördern. Herzberg unterscheidet:

Motivatoren = potenzielle Zufriedenheitsmacher (z.B. Arbeitstätigkeit, Weiterentwicklung, Aufstieg, Zielerreichung, Anerkennung, Persönliche Entwicklung) und

Hygienefaktoren = potenzielle Unzufriedenheitsmacher (z.B. Soziale Beziehungen, Bezahlung, Arbeitsumgebung, Firmen­politik, unzureichende Führungstechniken).

Intrinsische vs. extrinsische ­Motivation

Die Arbeitspsychologie beschäftigt sich mit zwei Arten der Motivation. Extrinsisch motivierte Handlungen treten nicht spontan auf, werden durch Aufforderung in Gang gesetzt und deren Befolgung lässt positive Bekräftigung erwarten. Als Motive kommen z.B. Geld, Sicherheit und Prestige in Frage, mögliche Anreizsysteme können demnach unter anderem Lohn/Gehalt, Belohnungssysteme und Mitarbeitergeschenke sein.

Im Gegensatz dazu kann bei intrinsisch motivierten Handlungen beobachtet werden, dass ein individuelles Verhalten um seiner selbst willen ausgeführt wird. Intrinsische Motivation kann als der Prototyp selbstbestimmten Handelns bezeichnet werden – Indikator ist einfach Spaß und Freude an Tätigkeiten. Die hierbei vorherrschenden Motive Leistung und Kompetenz werden unter anderem durch Anreizsysteme wie regelmäßige Feedback-Gespräche, gelebte Unternehmenskultur, eine eigene Möglichkeit zur Gestaltung der Arbeitstätigkeit und Wertschätzung bedient.

Beide Motivationsarten sind­ ­wichtig!

Jeder Mitarbeitende wird unterschiedlich motiviert. Während extrinsische Motivation jedoch erfahrungsgemäß einen individuellen Schwellenwert erreicht, erfolgt intrinsische Motivation ohne innere Widerstände, führt nachweislich zu Freude und Spaß und generiert positive Stimmung. Die beiden US-amerikanischen Psychologen Edward L. Deci und Richard Ryan haben sich intensiv mit Selbstbestimmungstheorien im arbeitsorganisatorischen Kontext auseinandergesetzt und bringen es auf den Punkt: „Die intrinsische Motivation ist die natürliche Tendenz, Herausforderungen zu suchen, und die eigenen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.“

Wenn Personen intrinsisch motiviert sind, beschäftigen sie sich mit der Aufgabe wegen der Tätigkeit selbst. In einer Vielzahl an Studien wurde belegt, dass intrinsisch motivierte Erwerbstätige länger und beharrlicher an Aufgaben und Problemlösungen arbeiten sowie nach Kompetenz und Verbesserung aus sich heraus streben. Daher wurde in den letzten Jahren vermehrt im Unternehmenskontext versucht, diese intrinsische Motivation zu fördern und zu nutzen.

Das Neugier-Motiv

Wie kann man nun als Führungskraft diese intrinsische Motivation fördern? Eine Möglichkeit kann sein, in die Neugier der Mitarbeitenden zu investieren. Zahlreiche wissenschaftliche Studien der letzten Jahre haben die positive Wirkung von Neugier auf arbeitsrelevante Ergebnisse wissenschaftlich belegt. Es lohnt daher, sich mit diesem Motiv etwas ausführlicher zu beschäftigen, zumal die Neugier-Forschung auch noch ein relativ junges Feld der Arbeits- und Organisationspsychologie darstellt. So unterstützt das Neugier-Motiv unter anderem im Bereich der allgemeinen Arbeitszufriedenheit (Heintz & Ruch, 2020, und Dörendahl et al., 2020), verringert die Wahrnehmung individueller Arbeitsbelastung (Ishaq et al., 2019), fördert die individuelle Innovationsfähigkeit und Kreativität (Celik et al., 2016), kann Arbeitsleistung steigern (Mussel, 2013) und trägt zu intrinsischer Motivation bei (Deci & Ryan, 2000). Kurz: Neugier hilft bei Wissbegierde, Offenheit, Kreativität, Motivation und Frustrationstoleranz und sollte mehr in den modernen Arbeits- und Führungsalltag Unterstützung finden.

Kurzinterview

KKA: Wer sollte wie oft und wann motivieren?
Schöner&Schöner: Die berufliche Zusammenarbeit bietet täglich mehrere Gelegenheiten, Mitarbeitende zu Höchstleistungen mit Lust und Laune anzutreiben. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Geschäftsführer den Angestellten, oder der Angestellte seinen Kollegen oder Auszubildenden motiviert. Gegenseitige Motivation steckt an und stärkt natürlich den Team-Gedanken. Beschwerden von Mitarbeitenden, die zu oft motiviert wurden, sind uns bisher nicht bekannt.

KKA: Was sollte vermieden werden?
Schöner&Schöner: Motivation sollte kein inflationäres oder unglaubwürdiges Maß erreichen. Äußerungen und Maßnahmen sollten situativ und rechtzeitig, jedoch nicht stereotyp und „lieblos“ erfolgen. Erfahrungsgemäß haben viele Mitarbeitende hierfür eine Antenne, und ein gut gemeintes Ansinnen kann sich schnell als kontraproduktiv herausstellen. Mit der Vermeidung demotivierenden Verhaltens ist schon mal ein guter erster Schritt gemacht.

KKA: Was motiviert Sie?
Schöner&Schöner: Neugier, Freiheit und Spaß sind in unserem Fall sicher die Hauptmotivatoren, warum wir berufliche Selbständigkeit angestrebt haben. In der Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Klienten motiviert natürlich nichts so sehr, wie die erfolgreiche Umsetzung gemeinsam erarbeiteter Maßnahmen, eine Weiterempfehlung, oder ein Folgeauftrag. Darin unterscheidet sich Schöner&Schöner nicht von anderen Unternehmen.

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