Klimaneutrale Wärmepumpen

Einsatz natürlicher Kältemittel in Wärmepumpen

Wärmepumpen im Privatsektor nutzen üblicherweise Erdwärme oder die Um­gebungsluft als Energiequelle. Groß-Wärmepumpen in Industrie, Handel und Gewerbe können dagegen auf Quellen wie Abwärme aus Kühlung und Klimatisierung, Prozessabluft oder Abwasser zurückgreifen, die ein höheres Temperaturniveau aufweisen. Dadurch lassen sich bei gleicher Energiezufuhr deutlich höhere Wasseraustrittstemperaturen realisieren, was die Bandbreite möglicher Anwendungen steigert und CO2-Emissionen vermeidet.

Um die Umweltfreundlichkeit der Wärmepumpen weiter zu verbessern, setzen Hersteller in jüngster Zeit vermehrt natürliche Kältemittel wie Ammoniak, Kohlendioxid oder auch Wasser als Arbeitsstoffe ein. „Diese Kältemittel überzeugen neben ihrer Klimaneutralität vor allem durch gute thermodynamische Eigenschaften und hohe Wirtschaftlichkeit“, sagt Monika Witt, Vorstandsvorsitzende von eurammon (www.eurammon.com), der europäischen Initiative für natürliche Kältemittel. „In der Kälteerzeugung haben sie sich seit über 100 Jahren als zuverlässig und betriebssicher erwiesen. Aufgrund der wachsenden Bedeutung von Energieeffizienz und Ressourcenschonung setzt nun auch die Wärmepumpenbranche verstärkt auf das Potential natürlicher Kältemittel.“


Ammoniak-Wärmepumpe der Superlative | So hat Johnson Controls (www.johnsoncontrols.de) für die Schweizerische Post eine der größten Ammoniak-Wärmepumpen Europas errichtet. Im Briefsortierzentrum Mülligen nordwestlich von Zürich verarbeitet die Post täglich bis zu 4,5 Mio. Briefe. Das größte Gebäude der Schweiz benötigt dazu viel Energie zum Heizen und Kühlen. Diese wird aus dem Abwasser eines nahe gelegenen Klärwerks gewonnen, das eine Energiequelle mit einem Potential von 266 Mio. kWh Niedertemperaturabwärme pro Jahr darstellt. Die Kälteleistung der Wärmepumpe beträgt 4,3 MW, die Heizleistung 5,6 MW bei 62 °C Warmwasseraustrittstemperatur. Rund 50 % der Heizenergie werden dabei dem gereinigten Abwasser des Klärwerks entzogen; weitere 30 % stammen aus der Abwärme der Gebäudeklimatisierung. Wenn keine Raumwärme gebraucht wird, nutzt die kombinierte Wärme-/Kältemaschine das Abwasser zur Rückkühlung der Abwärme aus der Kälteproduktion. Das ist besonders im Sommer der Fall, wenn die vielen automatisierten Anlagen zur Briefsortierung eine Kühllast von 4,9 MW erfordern.

Das gesamte Ammoniak-System ist auf einer Grundfläche von rund 70 m² installiert. Drei Sabroe-Kolbenverdichter dienen der Kälte­erzeugung auf der ersten Stufe bei einer Verdampfungstemperatur von 5 °C und einer Verflüssigungstemperatur von 30 °C. Diese Verdichter können auch als reine Kälteanlage ohne Abwärmenutzung verwendet werden. Im Wärmepumpenbetrieb verdichten fünf Sabroe-Hochdruckkolbenverdichter das ­Ammoniak von 30 auf 65 °C Sättigungstemperatur. Die Hochdruckflüssigkeit wird unterkühlt und zweistufig über den Zwischendruckbehälter expandiert. Der Leis­tungskoeffizient (COP) beim Heizen beträgt 3,97 ohne Unterkühler. Die 2007 in Betrieb genommene Anlage verringert den Verbrauch an fossilen Brennstoffen um 85 %, was einer CO2-Reduktion von 3400 t/a entspricht.


CO2 für Kälte- und Wärmeerzeugung | Eine Wasser/Wasser-Wärmepumpe mit trans-kritischem Kohlendioxid hat Star Refrigeration (www.star-ref.co.uk) entwickelt. „Envitherm” stellt Kälte bereit und erzeugt mittels Abwärme heißes Wasser. Als Kältemaschine kühlt die Wärmepumpe Wasser von 12 auf 6 °C bei einer Leistung von 41 kW. Gleichzeitig nutzt ein als Gaskühler betriebener Plattenwärmeaustauscher die am Hubkolbenverdichter entstehende Abwärme und erhitzt Leitungswasser von 10 auf 70 °C. Hier beträgt die Leistung 50 kW. Der Leistungskoeffizient liegt beim Kühlen bei über 3, beim Heizen über 4. Geeignet für neue und bestehende Gebäude ist das Sys­tem sowohl mit dem Kaltwasser/Glykol- als auch mit dem Heißwasserkreislauf verbunden. Die Anlage verfügt über Wasserpumpen, um den hydraulischen Druckverlust durch Verdampfer und Gaskühler auszugleichen. Für größere Leistungen können mehrere Einzelgeräte parallel oder in Serie zusammengeschaltet werden. Die fabrikseitig vorgetestete Wärmepumpe arbeitet mit 25 kg Kohlendioxid und muss nur an die Wasserkreisläufe und das Stromnetz angeschlossen werden. Eingesetzt wird sie überall dort, wo Anwender heißes Wasser zur Speicherung oder zum sofortigen Gebrauch benötigen – z.B. in der Lebensmittelproduktion, in Hotels, Bürogebäuden und Krankenhäusern.


Wärmepumpe mit R723 | Seit Jahresanfang bietet Frigopol (www.frigopol.com) eine Luft/Wasser-Wärmepumpe für die gewerbliche Nutzung, die mit dem natürlichen Kältemittel R723 arbeitet – einem Kältemittelgemisch aus Ammoniak und Dimethyl­ether. Bei einer Leistung von 24 kW stellt die Anlage bis zu 45 °C heißes Wasser für Raumwärme und bis zu 65 °C heißes Wasser für Brauchwarmwasser zur Verfügung. Hauptkomponente der mit 3,5 kg R723 befüllten Wärmepumpe ist ein halboffener Verdichter mit Frequenzregelung, die es erlaubt, die Leistung variabel zwischen 50 und 100 % einzustellen. Eine übergeordnete Steuerung sorgt dafür, dass die Wasservorlauftemperatur konstant bleibt, indem bei Bedarf die Drehzahl des Kompressors angepasst wird. Die Regelung arbeitet entsprechend einer außentemperaturabhängigen Heizkurve. Die Wärmepumpe erreicht einen Leistungskoeffizienten von 4,2 (A7/W35) und arbeitet sehr effizient. So wird z.B. der Elektromotor mit Wasser gekühlt, das direkt in den Warmwasserkreislauf fließt. Der Motor ist eine spezielle Konstruktion mit einer Verrohrung, die um den elektrischen Motor angebracht ist. Um den Verdampfer abzutauen, wird entspanntes heißes Gas durch den Verdampfer geführt, wodurch keine Energie aus dem Warmwasserkreislauf entnommen werden muss. Die Wärmepumpe ist schallisoliert und wird außerhalb des Gebäudes installiert. Zu den Kunden zählen Wohnungsbaugenossenschaften und kleinere Betriebe.


Rückenwind durch die EU | „Die Fallbeispiele zeigen, dass die Hersteller bereits intensiv an zukunftsfähigen Konzepten für Wärmepumpen arbeiten“, so Monika Witt von eurammon. „Weitere Impulse für techno­logische Neuerungen werden jetzt sicherlich von der im Juni verabschiedeten EU-Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien ausgehen, die erstmals auch die Wärmepumpe als Energiequelle anerkennt.“

 

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