ASR und Gefährdungs-
beurteilung

Neue Vorschriften umsetzen: So sorgen Unternehmen für gutes Klima

Vorschriften im Arbeitsschutz werden regelmäßig überarbeitet: Neue Regeln kommen hinzu, bestehende werden an den Stand der Technik angepasst oder lösen alte Forderungen ab. Die Mehrzahl der Technischen Regeln für Arbeitsstätten (Arbeitsstättenregeln: ASR) wurde im März 2022 aktualisiert. Sie präzisieren die Arbeitsstättenverordnung und beschreiben Maßnahmen, wie Schutzziele und Anforderungen an Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten erreicht werden können. Das Regelwerk soll die Umsetzung in der Praxis erleichtern, v.a. die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und die Festlegung geeigneter Schutzmaßnahmen. Unternehmen müssen zutreffende geänderte Forderungen ermitteln und Gefährdungsbeurteilungen aktualisieren.

Arbeitsstättenregeln

Für wen gelten die ASR?

Die ASR betreffen alle Betreiber von Arbeitsstätten, diese sind gem. § 2 ArbStättV definiert als „Arbeitsräume oder andere Orte in Gebäuden auf dem Gelände eines Betriebes, Orte im Freien auf dem Gelände eines Betriebes und Orte auf Baustellen, sofern sie zur Nutzung für Arbeitsplätze vorgesehen sind.“ Zur Arbeitsstätte gehören auch alle Orte, zu denen Beschäftigte Zugang haben sowie u.a. Verkehrswege, Fluchtwege, Not­ausgänge, Lager-, Maschinen- und Nebenräume, Sanitärräume, Kantinen, Pausen- und Bereitschaftsräume, Erste-Hilfe-Räume und Unterkünfte.

Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben müssen gewährleistet werden. Das Betreiben umfasst dabei neben Benutzen, Instandhalten und Optimieren auch die Organisation und Gestaltung der Arbeit einschließlich der Arbeitsabläufe.

Beschäftigte in der Kälte- und Klimatechnik arbeiten an wechselnden Arbeitsplätzen bei privaten oder gewerblichen Kunden, in bestehenden Gebäuden oder auf Baustellen. Mit der Planung der Baustelleneinrichtung müssen auch die Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung und Arbeitsstättenregeln umgesetzt werden. Neben sicheren Arbeitsplätzen und Verkehrswegen geht es z. B. um Sozialeinrichtungen, Brandschutz, Fluchtwege und Erste Hilfe. Anforderungen des Arbeitsstättenrechts werden durch die einzelnen Unternehmen für die eigenen Beschäftigten umgesetzt. Dabei wird auch die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen auf der Baustelle koordiniert – dazu trägt die Koordination nach Baustellenverordnung bei. Oft können mit gemeinsam genutzten Einrichtungen Arbeitsschutzanforderungen für mehrere Gewerke wirtschaftlich umgesetzt werden.

Wie verbindlich sind die ASR?

Es gilt die Vermutungswirkung, d.h. wendet der Arbeitgeber die ASR an, kann er davon ausgehen, dass er die Forderungen der ArbStättV einhält. Allerdings sind die ASR rechtlich nicht verbindlich. Der Arbeitgeber kann von den Vorgaben abweichen und die Schutzziele auf andere Art erfüllen. Er muss dann aber mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten (gleiches Schutzniveau) erreichen.

Die ASR enthalten – zum Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe – den aktuellen Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse. Sie werden bei Bedarf überarbeitet. Werden Anforderungen geändert oder neu festgelegt, muss der Arbeitgeber im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung prüfen, ob die geänderten bzw. neuen Forderungen erfüllt werden oder Anpassungen seinerseits erforderlich sind.

Einen Bestandsschutz gibt es bei ASR grundsätzlich nicht. Da hier jedoch zwei Rechtsbereiche, nämlich Arbeitsschutzrecht und Baurecht, betrachtet werden müssen, kann Bestandsschutz gelten, wenn umfangreiche Änderungen oder erheblicher Aufwand erforderlich sind.

Was ist neu?

Neu gefasst wurden ASR A1.8 „Verkehrswege“ und ASR A2.3 „Fluchtwege“, relevante Änderungen ergeben sich v.a. für barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten, Sicherheits- und Gesundheitskennzeichnung, Türen und Tore sowie Beleuchtung. Die ASR A3.4/7 „Sicherheitsbeleuchtung, optische Sicherheitsleitsysteme“ wurde aufgehoben; die an den Stand der Technik angepassten Inhalte wurden in ASR A1.3, ASR A2.3 und ASR A3.4 überführt. Die BauA liefert einen Überblick über Neufassung, Änderung und Aufhebung von ASR.

Welche Arbeitsstättenrichtlinien gibt es?

Die Tabelle bietet eine Übersicht über alle bisher veröffentlichten 20 ASR mit Kurzbeschreibung.

Praxishinweise: Beratung und Dienstleistung auf dem aktuellen Stand

Unternehmen der Kälte- und Klimatechnik müssen nicht nur den aktuellen Stand der Technik kennen und sich über neue Entwicklungen informieren, um Kunden kompetent zu betreuen. Sie müssen auch relevante Vorschriften und deren Änderungen ermitteln und umsetzen.

Raumtemperatur: Mit der neuen ASR A3.5 „Raumtemperatur“ werden z.B. sog. Schwülegrenzen eingeführt, d.h. die relative Luftfeuchte bei 26 °C darf max. 55 %, bei 30 °C max. 44 % betragen. Unverändert gelten Mindestwerte für die Lufttemperatur in Arbeitsräumen und bei Überschreiten einer Lufttemperatur von 26 °C sollen Maßnahmen zur Senkung der Temperatur ergriffen werden. Anlagen müssen also so ausgelegt und betrieben werden, dass sie diese Vorgaben erfüllen.

Lüftung: Gemäß ASR A3.6 „Lüftung“ muss in umschlossenen Arbeitsräumen gesundheitlich zuträgliche Atemluft in ausreichender Menge vorhanden sein. Auch hier gelten Maximalwerte für die relative Luftfeuchtigkeit, die nicht überschritten werden dürfen. Ob freie Lüftung über Fenster ausreicht oder raumlufttechnische Anlagen (RLT-Anlagen) erforderlich sind, hängt im Wesentlichen von den Stofflasten wie CO2, Geruchsstoffen, flüchtigen organischen Stoffen (VOC), Formaldehyd usw. ab. Hier müssen Anlagen für gewerbliche Anwendungen also eine gesundheitlich zuträgliche Atemluft gewährleisten.

RLT-Anlagen und Corona: Eine Übertragung von Corona-Viren über Klima- und Lüftungsanlagen kann nach aktuellem Kenntnisstand ausgeschlossen werden, wenn die zugeführte Luft normgerecht gefiltert wird. Über Außen- und Zuluftleitungen können aufgrund der Filtrierung keine Tröpfchen, die das Corona-Virus enthalten könnten, in die Räume eingetragen werden.

Abluftleitungen, die möglicherweise mit Tröpfchen belastete Abluft aus den Räumen aufnehmen, transportieren diese nicht in andere Bereiche, da die Systeme im Unterdruck betrieben werden und dadurch auch bei Leckagen der Leitungen keine Abluft entweichen kann (Quelle: Fachverband Gebäude-Klima e.V.).

Nachhaltigkeit und Klimawandel: Experten für Kälte, Klima, Lüftung und Wärmepumpen müssen darüber hinaus zunehmend Forderungen ihrer Kunden nach Klimaschutz und Nachhaltigkeit berücksichtigen. So sollten neue Anlagen effizienter sein und weniger Kältemittel mit geringem Treibhausgaspotenzial enthalten. Aktuell gewinnt Propan als Kältemittel in Wärmepumpen und Prozesskühlern zunehmend an Bedeutung.

Pflichten des Arbeitgebers

Gefährdungsbeurteilung durchführen

Die Gefährdungsbeurteilung ist das zentrale Instrument im Arbeits- und Gesundheitsschutz. Sie muss erfolgen, bevor der Beschäftigte seine Tätigkeit beginnt.

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 3 ArbStättV muss der Arbeitgeber zunächst feststellen, ob die Beschäftigten Gefährdungen beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können. Anforderungen betreffen u.a. Betriebsgebäude und Räume, Verkehrs- und Fluchtwege, Beleuchtung, Raumtemperatur sowie Bildschirmarbeitsplätze.

Die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG umfasst das systematische Ermitteln und Beurteilen bzw. Bewerten möglicher Gefährdungen am Arbeitsplatz sowie das Festlegen erforderlicher Maßnahmen. Als Werkzeug zur Prävention können so Unfälle und Berufskrankheiten verhindert bzw. verringert werden. Die Gefährdungsbeurteilung nach ArbSchG kann sich auf Arbeitsplatz oder Arbeitsbereich, Tätigkeit, Arbeitsorganisation oder Themen beziehen. Im Fokus können auch Personen stehen, z.B. besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen wie Jugendliche, Schwangere, Stillende oder – im Hinblick auf die Corona-Pandemie – ältere Beschäftigte oder Mitarbeiter mit Vorerkrankungen. Ziel ist eine ganzheitliche Betrachtung, nämlich die menschengerechte Gestaltung der Arbeit.

Der Arbeitgeber ist verantwortlich, dass Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt werden und zwar fachkundig. Nach § 13 Abs. 2 ArbSchG kann er zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen. Allerdings muss er überwachen bzw. kontrollieren, dass Gefährdungsbeurteilungen tatsächlich durchgeführt werden. Für etwaige Ordnungswidrigkeiten oder sogar Straftatbestände muss der Arbeitgeber rechtlich einstehen (Garantenstellung).

Praxishinweis: Typische Gefährdungen

Beschäftigte der Kälte- und Klimatechnik arbeiten bei privaten oder gewerblichen Kunden, in bestehenden Gebäuden oder auf Baustellen. Gefährdungspotenziale ergeben sich u.a. aus Be- und Entladen, Fahrten von und zum Kunden sowie den Tätigkeiten vor Ort, insbesondere Elektroarbeiten sowie Umgang mit Gefahrstoffen. Mögliche Unterweisungsinhalte sind dann v.a. Ladungssicherung, Handhabung schwerer Lasten, sicheres Fahren, ggf. Fahrtraining und sicherer Umgang mit Stoffen, Werkzeug und Maschinen.

Dokumentationspflicht

Nach § 3 ArbStättV und § 6 ArbSchG muss die Gefährdungsbeurteilung dokumentiert werden. Während die Form nicht vorgegeben ist, sind die Inhalte festgelegt: Mindestens das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes und das Ergebnis ihrer Überprüfung müssen ersichtlich sein. Zusammengefasste Angaben bei gleichartigen Gefährdungssituationen sind zulässig. Die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung ist auch ohne Unterschrift gültig, es empfiehlt sich jedoch zu unterschreiben.

Aktualisieren

Die Gefährdungsbeurteilung muss aktualisiert werden v.a. bei:

Änderung von gesetzlichen Vorgaben und Einstufungen,

Neubeschaffung von Arbeitsmitteln,

Einführen neuer Stoffe,

Änderungen von Arbeits- und Verkehrsbereichen, von Arbeitsverfahren und Tätigkeitsabläufen (Prozesse), der Betriebsorganisation, des Standes der Technik,

Auftreten von Unfällen, Beinaheunfällen, Berufserkrankungen und anderen Erkrankungen.

Die Gefährdungsbeurteilung ist also keine einmalige Untersuchung, sondern muss kontinuierlich überprüft und aktualisiert werden. Sie sollte als Prozess bearbeitet werden, Ziel ist die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten (§ 3 ArbSchG).

Empfohlen wird, dass Gefährdungsbeurteilungen mindestens alle zwei Jahre überprüft und bei Bedarf aktualisiert werden, eine rechtliche Anforderung dazu besteht nicht.

Praxistipp: Software für Gefährdungsbeurteilung

Der Einsatz von Software ermöglicht eine systematische Vorgehensweise: So unterstützt z. B. die EHS-Software von QUMsult mit dem Modul „Gefährdungsbeurteilung“ Verantwortliche im Arbeits- und Umweltschutz: Mit der webbasierten Anwendung können Nutzer Gefährdungen im Unternehmen ermitteln, beurteilen und dokumentieren. Sie können geeignete Maßnahmen festlegen und verwalten. Alle Beschäftigten am Standort haben Zugriff auf die stets aktuelle Plattform.

Grundlage sind die Gefährdungsfaktoren der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA). Zu jedem Gefährdungsfaktor gibt es vorformulierte Mustertexte zu Schutzmaßnahmen und konkreten Gefährdungen oder der Anwender formuliert eigene Texte. Auch Termine und Verantwortlichkeiten können festgelegt, das Umsetzen der Maßnahmen kann überwacht werden.

Zuvor erfasste Daten stehen auf Knopfdruck als Berichte (Gefährdungsbeurteilung, Übersicht aller Maßnahmen und Gefährdungsbeurteilungen) zur Verfügung. Weitere Dokumente können der Gefährdungsbeurteilung zugeordnet werden.

Darüber hinaus werden zu jedem Gefährdungsfaktor relevante Rechtsvorschriften angezeigt, die mit dem Gesetzestext verlinkt sind. Sie bilden die Schnittstelle zum Rechtskataster PAUL – Plattform Arbeitsschutz- und Umweltrecht, ebenso von QUMsult.

Fazit

Unternehmen der Kälte- und Klimatechnik müssen relevante Vorschriften und deren Änderungen nicht nur im eigenen Betrieb umsetzen, sondern auch deren mögliche Auswirkungen auf ihre Tätigkeit beim Kunden ermitteln. Zentrales Element sind Gefährdungsbeurteilungen, Anlass für die Aktualisierung ist z.B. die Änderung geltender Vorschriften. Mit einer webbasierten Anwendung können Unternehmen Gefährdungsbeurteilungen systematisch durchführen und arbeiten so rechtssicher.

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